Hermann Broch

Hermann Broch (* 1. November 1886 in Wien; † 30. Mai 1951 in New Haven/Connecticut) war ein österreichischer Schriftsteller.


Quelle: Wikipedia

 

 Funde

Leben und Werke

Hermann Broch, Sohn von Josef Broch (1852–1933) und Johanna (1863–1942; geb. Schnabel), studierte Textiltechnik in Wien an der Technischen Hochschule sowie Textilmaschinenbau in Mülhausen. Danach trat er 1907 in die väterliche Textilfabrik in Teesdorf bei Wien ein. 1909 konvertierte er vom Judentum zum Katholizismus und heiratete Franziska von Rothermann; die Ehe wurde 1923 geschieden. Nach dem Verkauf der Fabrik (1927) studierte er Mathematik, Philosophie und Physik an der Universität Wien und wurde danach freier Schriftsteller.

Nach dem „Anschluss“ an das nationalsozialistische Deutsche Reich 1938 wurde er von der Gestapo für kurze Zeit inhaftiert und floh wenige Monate später aus dem besetzten Österreich. Mit Hilfe von Thomas Mann und Albert Einstein konnte er über England und Schottland in die USA emigrieren.

Sein Schaffen ist durch die Einführung neuer Stilelemente (z. B. innerer Monolog) sowie durch die Reflexion wissenschaftlicher Erkenntnisse, Forschungen oder Träume in seinem Werk gekennzeichnet. Er befasste sich u. a. intensiv mit James Joyce, über den er den Essay James Joyce und die Gegenwart (1935) schrieb.

In der Romantrilogie Die Schlafwandler (1930/32) stellte er den Zerfall der Werte und der Persönlichkeit dar. Broch zeigt typische Reaktionen auf den Religions- und Sinnverlust der modernen Gesellschaft. Im ersten Teil der Trilogie (Pasenow oder die Romantik) wird die romantisch-nostalgische Sicht (bei Leugnung der faktischen Realität) gestaltet; im zweiten Teil (Esch oder die Anarchie) taumelt der Held orientierungslos von einem Wertesystem ins andere, ohne für seine religiösen Sehnsüchte einen Halt finden zu können; der dritte Teil (Huguenau oder die Sachlichkeit) führt ein sachlich-zynisches Verhalten vor Augen: alle Wertsysteme werden der obersten Maxime des kommerziellen Gewinns untergeordnet. Das Buch gehört zu den wichtigsten Werken des europäischen modernen Romans und wird oft in eine Reihe gestellt mit Joyce' Ulysses, Heinrich Manns Kaiserreich-Trilogie, Thomas Manns Zauberberg, Döblins Berlin Alexanderplatz, Musils Mann ohne Eigenschaften, Dos Passos Manhattan Transfer und Gides Les Faux-monnayeurs. Es ist in seinem Anspielungsreichtum, seiner Vielschichtigkeit und dichterischen Symbolstärke immer wieder eine Herausforderung für die Interpreten. Galt der Roman, der Brochs erfolgreichstes und international verbreitetstes Werk ist, lange Zeit als typisches Buch der Klassischen Moderne, so betont die jüngere Forschung zunehmend auch die Anklänge an postmoderne Schreibweisen.

Diesem Erstlingswerk ließ Broch einen kleineren Roman mit dem Titel Die Unbekannte Größe (1933) folgen. Dort werden Fragen der rationalen Lebensbewältigung in einer irrationalen Welt diskutiert, wobei die Umbrüche in der theoretischen Physik der 1920er Jahre und neue Erkenntnisse in der Mathematik (mit beiden Wissensbereichen war Broch vertraut) eine große Rolle spielen.

Zu den Arbeiten der frühen 30er Jahre gehören auch Brochs Dramen: die Tragödie Die Entsühnung (soziale Konflikte zur Zeit der Weimarer Republik) und die Komödie Aus der Luft gegriffen oder Die Geschäfte der Baron Laborde. In beiden werden die tragischen bzw. komischen Aspekte einer Gesellschaft geschildert, die unter die Dominanz ökonomischer Mächte geraten ist. Nicht zu unterschätzen ist auch Brochs lyrisches Werk aus den dreißiger Jahren im Kontext der zeitgenössischen Naturlyrik, das bisher weitgehend unbeachtet geblieben ist.

Im nie ganz abgeschlossenen sogenannten Bergroman (von Broch vorgeschlagener Titel: Demeter oder die Verzauberung) beschrieb Broch den Einbruch einer irrationalen Macht in ein alpines Bergdorf, der zu Ritualmord und Massenwahn führt. Das Buch, dessen erste Fassung Ende 1935 abgeschlossen wurde, ist ein Beispiel des symbolisch-parabelhaften antifaschistischen Romans der dreißiger Jahre. Das Buch enthält neben der politischen auch eine mythisch-religiöse Ebene. Mutter Gisson, die Gegenfigur zum diktatorischen Marius Ratti, trägt Demeterzüge.

Die Arbeit an dem Roman hatte Broch 1936/37 unterbrochen, um seine Völkerbund-Resolution zu schreiben. Damit wollte er den Völkerbund aufrufen, sich für die Verteidigung der Menschenwürde und der Menschenrechte einzusetzen, um dem Totalitarismus Hitlers und Stalins Einhalt zu gebieten. Broch versuchte eine Reihe humanitärer Organisationen zur Unterstützung der Resolution zu gewinnen, doch gelang ihm das nicht. Er griff im amerikanischen Exil bei seinen Arbeiten zu den internationalen Menschenrechten auf diese Resolution, die er damals nicht veröffentlicht hatte, zurück.

Broch schrieb insgesamt drei Fassungen des Romans. Die erste, die Rohfassung, war 1935 fertiggestellt. Heinrich Eduard Jacob (1889–1967) hatte das Manuskript (Typoskript) auf seinem Weg in die Emigration im Juli 1939 in London von Stefan Zweig (1881–1942) übernommen und nahm es mit nach New York. Am 16. August 1939 händigte Jacob das Manuskript an Broch aus. Das Fragment der zweiten Fassung des Romans, an der der Autor mit Unterbrechungen von 1936 bis 1938 gearbeitet hatte, war Frank Thiess vor Brochs Flucht aus Österreich übergeben worden. Thiess schickte es noch im Sommer 1938 über die Schweiz an Broch, der damals zwei Monate lang bei seinen Übersetzern Edwin und Willa Muir in St. Andrews/Schottland lebte. Schließlich nahm Broch die Arbeit an dem Stoff 1951 noch einmal auf, ohne sie jedoch beenden zu können. Der Roman wurde erstmals 1953 von Felix Stössinger – philologisch höchst anfechtbar – unter Verwendung dieser drei Fassungen, von denen Broch die ersten beiden verworfen hatte, als Band 4 der Gesammelten Werke (Rhein-Verlag Zürich) aus dem Nachlass herausgegeben, Titel Der Versucher. Die erste Fassung erschien 1967 unter dem Titel Die Verzauberung. Sie gab Barbara Frischmuth die Anregung zu ihrer Demeter-Trilogie.

1937 entstand (als Rundfunksendung) die erste Novellen-Fassung des späteren Vergil-Romans mit dem Titel Die Heimkehr des Vergil. Als Broch im März 1938 verhaftet wurde, arbeitete er bereits an der dritten Fassung dieser Novelle, für die er den Titel Erzählung vom Tode vorgesehen hatte. Erst „im amerikanischen Exil“, heißt es in einem Brief, arbeitete er das Projekt zu einem umfangreichen Roman aus, dem er den Titel Der Tod des Vergil (1945) gab. Broch zieht eine „Parallele zwischen der kulturellen Umbruchszeit des Augusteischen Zeitalters und seiner Gegenwart“. Wie damals, meint Broch, geht eine alte Kultur zu Ende, und die Konturen einer neuen (mit einem wiederkehrenden religiösen Zentrum) deuten sich an. In den Monologen des sterbenden Vergil rechnet er mit der Kultur der untergehenden Epoche ab. Seine Traumvisionen durchschweben Bilder, die ihn in seiner Hoffnung auf den Beginn einer neuen Menschheitsepoche bestärken. Was den Stil des Buches betrifft, so wechseln Szenen von derber Realistik (Schilderung der Elendsgasse) mit politischen Diskussionen (Gespräch mit dem Kaiser Augustus) und hymnisch-lyrischen Passagen (Schicksals-Elegien und Traumsequenzen) ab. Die Gestapo-Haft hatte Broch unmittelbar in seiner persönlichen Existenz bedroht. Es war ein Zustand, so schreibt er, „der mich zwingender und zwingender zur Todesvorbereitung, zu sozusagen privater Todesvorbereitung nötigte. Zu einer solchen entwickelte sich die Arbeit am Vergil …”

Es war vor allem eine innere psychische Arbeit, die Broch hatte leisten müssen, um die Lebensbedrohungen zu bewältigen, die er – selbst mit Hilfe einer langen Psychoanalyse – nicht hatte abwenden können. Psychologische Überlegungen zu diesem überwältigendem Werk haben versucht, die Wege dieser intrapsychischen Arbeit nachzuzeichnen, die schließlich zur Individuation des Protagonisten führen (Aniela Jaffé). Einen Prozess der inneren Reifung beschreibt auch der Psychoanalytiker Gerhard Dahl, wenn Broch in seinem Roman an dem Protagonisten Vergil gleichnishaft den Zusammenbruch der Abwehr von prägenitalen Ängsten darstellt (die „Elendsgasse“ als Symbol archaischer Ängste in der Urszene), ein Zusammenbruch, der zugleich auch „stufenweise“ einen Entwicklungsprozess ermöglicht. Der Tod muss am Ende des Romans nicht mehr als unzumutbare Kränkung des Narzissmus erlebt werden, sondern kann als glückliche Vereinigung mit der All-Mutter (Die Heimkehr) phantasiert werden.

Im amerikanischen Exil gehörten Thomas Mann und Albert Einstein zu seinen Freunden. Beide bestärkten Broch darin, seine bereits in Österreich begonnenen Arbeiten zu einer Massenpsychologie (vergleiche seine „Massenwahntheorie“) weiter zu verfolgen. Diese große Arbeit blieb fragmentarisch und wurde erst nach seinem Tod aus seinem Nachlass veröffentlicht. Während der Emigrationszeit setzte Broch sich auch intensiv mit Fragen der Demokratie, des Totalitarismus, der „Totalwirtschaft“ und der internationalen Menschenrechte auseinander, Themen zu denen er noch heute aktuelle Aufsätze schrieb.

Zu seinen essayistischen Glanzleistungen gehört das Buch Hofmannsthal und seine Zeit, an dem er vor allem in den Jahren 1947 und 1948 schrieb. Darin analysiert er die Kultur des alten Österreichs im späten 19. Jahrhundert, die Zeit des Liberalismus und der Wiener Moderne, wobei er den Begriff der „fröhlichen Apokalypse“ prägte. Hofmannsthals Leben und Werk wird vor dem Hintergrund dieser untergehenden Kultur konturiert. Broch vergleicht Hofmannsthals Werk mit dem von Karl Kraus und macht deutlich, dass seine Sympathie der Absolut-Satire von Kraus gilt. Kurz vor seinem Tod erschien 1950 sein letzter Roman Die Schuldlosen. In diesem Roman in elf Erzählungen sichtet er die Jahrzehnte zwischen 1913 und 1933 in Deutschland zeitkritisch. Das Buch enthält die legendäre Geschichte der Magd Zerline, die Hannah Arendt bei Erscheinen des Romans eine der schönsten Liebesgeschichten der Weltliteratur nannte. Als Einakter in Paris seit 1986 mit Jeanne Moreau in der Hauptrolle aufgeführt, erlangte die Geschichte Weltruhm.

In seinem Todesjahr wurde Broch von einigen Freunden und literarischen Gesellschaften für den Nobelpreis vorgeschlagen. Zu den zahlreichen Intellektuellen, die Brochs Werk schätzten und über ihn geschrieben haben, zählen Maurice Blanchot, Erich von Kahler, Hannah Arendt, George Steiner, Villy Sørensen, Milan Kundera, Elias Canetti. In Thomas Bernhards Roman Auslöschung ist Brochs Esch oder Die Anarchie eines von fünf Büchern, die der Erzähler seinem Schüler empfiehlt.

1949 heiratete er die Malerin Annemarie Meier-Graefe.

Gesamtausgaben

Hermann Broch: Gesammelte Werke. 10 Bände, Zürich: Rhein-Verlag, 1952-1961

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  • GW 1: Gedichte, Zürich 1953, hrsg. und eingel. von Erich von Kahler
  • GW 2: Die Schlafwandler, Zürich 1952
  • GW 3: Der Tod des Vergil, Zürich 1952
  • GW 4: Der Versucher, Zürich 1953, hrsg. aus dem Nachlass und eingel. von Felix Stössinger
  • GW 5: Die Schuldlosen, Zürich 1954, eingel. von Hermann J. Weigand
  • GW 6: Dichten und Erkennen. Essays I, Zürich 1955, hrsg. und eingel. von Hannah Arendt
  • GW 7: Erkennen und Handeln. Essays II, hrsg. von Hannah Arendt
  • GW 8: Briefe, Zürich 1957, hrsg. und eingel. von Robert Pick
  • GW 9: Massenpsychologie. Schriften aus dem Nachlass, Zürich 1959, hrsg. und eingel. von Wolfgang Rothe
  • GW 10: Die unbekannte Größe. Frühe und mittlere Essays. Briefe an Willa Muir, Zürich 1961, hrsg. und eingel. von Ernst Schönwiese (Briefe an Willa Muir: Eric W. Herd)

 

Hermann Broch, Kommentierte Werkausgabe, hg. von Paul Michael Lützeler. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1974-1981

  • KW 1: Die Schlafwandler.Eine Romantrilogie
  • KW 2: Die Unbekannte Größe. Roman
  • KW 3: Die Verzauberung. Roman
  • KW 4: Der Tod des Vergil. Roman
  • KW 5: Die Schuldlosen. Roman in elf Erzählungen
  • KW 6: Novellen
  • KW 7: Dramen
  • KW 8: Gedichte
  • KW 9/ 1+2: Schriften zur Literatur
  • KW 10/ 1+2: Philosophische Schriften
  • KW 11: Politische Schriften
  • KW 12: Massenwahntheorie
  • KW 13/ 1+2+3: Briefe.

 

Quelle: Wikipedia

 

zu den Gedichten

 

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