Sieben Gedichte aus »German Sea« von Helen Lodgers
vermutlich 1934 geschrieben
als Reisetagebuch, "Helen Lodgers" ist aller Voraussicht nach nur ein Pseudonym
Inhalt
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Leda
On the Alster
Nights
Watching thy Sleep. . .
The Worshipful Company of Seafaring Men
Travemuende
Sea-Monster
Mein Fenster ist im Dunkel aufgetan
Und meine Seele aufgetan mit ihm.
Ich seh' den Sternenkranz der Cherubim
Und warte auf den Schwan.
Der Nachthauch irrt um Lager und Gestühl
Und tastet an mein schauerndes Gewand
Und streicht mit kaltem Finger meine Hand;
Mein Fuß ist nackt und kühl.
Ich habe nicht den Tag, der eben blich,
Den Morgen und den Abend nicht erkannt;
Ich ging in Zimmern. Doch mein Wesen stand
Und rief die Nacht und dich.
Ich rufe dich. Ich klage nach dir stumm.
Ich sehne mich. Und wage keinen Schrei.
Sonst stürzte Neugier, Staunen, Zorn herbei;
Nun schlummert das ringsum.
Wo weilt der Teich, da blasse Rosen sind ?
Wo glimmt die Tiefe, da du Silber schürfst,
Der mondgemischte Tropfen, den du schlürfst,
Raunt taubenblauer Wind ?
Der meines Glückes glühnde Schmerzen trägt,
Dein stolzer Nacken windet sich und sinkt . . .
O Stunde, da dein Flug, der schneeig blinkt,
An schwarze Himmel schlägt!
O Stunde, da du rauschend niederziehst,
Auf meine Brüste weicher Flaum sich senkt,
Da um die Liebe, die dir bebend schenkt,
Du reine Flügel schließt!
O komm. O komm. Mein Kelch ist aufgetan
Und badet, schwer von Demut und von Duft,
Sich blühend in der winterklaren Luft
Und wartet auf den Schwan.
Schüchterne Farben der Falterfrühen,
Leiser perlmutterner Glanz,
Wenn nun die Dächer, die Türme erblühen
Und ihr gebundener Kranz,
Summend umworben von schillernder Fliege,
Rund um den Becher sich drängt,
Schale mit süßer Fluten Geschmiege,
Das, wie ein schwebender Schleier die Wiege,
Milchiger Nebel verhängt.
Hütet den Park noch der steinerne Löwe,
Bröckelnd gleich altem Geschlecht ?
Gieriger Mautner, erflattert sich Möwe
Kreischend die Gabe als Recht.
Winzige Dampfer, umstrudelte Schwimmer,
Atmen mit weißlichem Rauch . . .
Schwäne entfalten den flockigen Schimmer,
Silberne Nadeln, Sonnengeflimmer,
Lockern den schleiernden Hauch.
Morgen mit anmutig leichten Geschenken
Über den ernsten Alleen:
Ihnen doch, die an den fröstelnden Bänken
Zögernd vorübergehn,
Ist es zuweilen Gut und Genügen,
Wandernd, mit stillem Vertraun
Hand und Hand ineinander zu fügen
Und in den fremden geliebten Zügen
Glückliches Lächeln zu schaun.
Deine Hände keimen in Finsternissen,
Und ich seh' nicht, wie sie blühn,
Atmend aus dem Schnee der Kissen.
Meeresgrün,
Wogengrau verglitzern deine Augen;
Meine Wange leckt ihr Schaum.
Nelkenrote Quallen saugen . . .
Süßes Harz von weißem Birkenbaum
Tropft die Stille goldbraun nieder . . .
O breiter Flügel, zuckender Schulter entstiegen!
O bleicher Schwanenflügel, der mich beschattet!
O Nacken, flaumige Brust, o Leib, den ein Wiegen
Verschilfter Bucht umschläfert, zärtlich ermattet!
Libellensirrendes Wispern . . .
Komm.
Du hast meinem Munde die reife Granatfrucht geschenkt,
Des Apfels starken Saft, erzeugende Kerne,
Hast in die Himmelsgründe kristallen wachsender Sterne
Wurzeln des Rebstocks versenkt.
Blau schwellen Trauben: koste.
Siehe, ich bin ein Garten, den du gen Abend erreicht,
Fiebrige Arme an schlanker silberner Pforte zu kühlen,
Im verstummten Geäst Aprikose zu fühlen,
Bin unterm südlichen Hauch, der die Ruhende streicht,
Eine schmale, blasse Wiese.
Erschauerndes Gräsergefilde, lieg' ich bereit und bloß;
Mitternachtsglut schloß mir Lippen bebender Winde zu,
Doch die verborgenste Blüte öffnet den purpurnen Schoß:
Du.
Du . . . komm . . .
Spüre, ich bin die Frau; meine klugen Finger erfüllen
Milchiges Porzellan mit Gewürzen der Lust,
Gießen zaubrisches Naß. Du spreitest aus Hüllen
Schlagenden Fittich, taumelst an meine Brust,
Sinkst, ein großes, lastendes Glück, in Tiefen.
Sanfter nun trägt dich die Flut, streichelt lässig die Flanken
Wuchtendem Schiffe, das drüben im Hafen war
Mit ragenden Schornsteintürmen, Masten hoher Gedanken;
Fühlst du die Möwe wehn dir durch rauchig wirbelndes Haar?
»Manhattan« . . . »New York« . . . »City of Baltimore« . . .
bleibe!
Aus Morgen ballt sich mählich graue Nebelhelle,
Nieselt dich schleichend fort
Meinem Schimmerspiegel, meiner armen Welle -
Letzter Blick, o letztes Wort!
O, ich ahne auch, da ferne Scharen
Wilder Enten klagend schrein . . .
Meine Muschelkrone stürzt aus dunklen Haaren -
Schlummre du . . . ach, schlummre ein.
Und laß mich weinen . . .
Lied, das im Schlummer des geliebten Mannes tönt!
Wenn alles eingesammelt, Ruf, Gespräch und Glossen
Wie Kinderspielzeug abends in den Schrank verschlossen,
Die schwarze Mutter stumm in Schleiern und gekrönt
Auf Treppen hoher Türme niederschreitet,
Ein Lager streifend mit umflortem Mond bescheint,
Der Silberlampe; wenn sie lautlos weint
Und Krankentrunk aus Mohn und Asphodel bereitet:
Dann hör' ich deine Atemzüge gehn.
Du singst. Ich suche dich und soll dich nie erlangen.
Ach, jeder weist mir, daß du heimlich fortgegangen -
Wie lang ? Wohin ? Ich kann dich nicht mehr sehn.
So weit bist du, so weit getrennt von meiner Seele,
Ob auch dein Leib so nah an meinem Leibe blieb;
Ich rühre deine Achsel: Du. Ich hab' dich lieb . . .
Und fühle Worte, die ich tags voll Scham verhehle,
Und doch will dies Gesicht, das über deins sich beugt,
Den Schläfer nimmer wecken, will nur betend wachen,
Daß nicht der Raum verfällt zur Höhle grauer Drachen,
Die einst den Knabentraum in wirre Angst geäugt.
Und doch weiß dieses Herz, daß Stundenschläge splittern,
Da du, ihm abgewendet, niemals wiederkommst.
Stern, der du über mir im warmen Dunkel glommst,
Wann werd' ich einsam vor durchschneiten Morgen zittern
Du weißt es nicht. Und bist am Ende schon bereit
Und fliehst mich ohne Hast auf deinen fremden Wegen -
Ich mag die Schläfe still an deine Schulter legen,
Die Hände auf mein Herz, das um Erbarmen schreit.
In den Backsteinritzen schläft wie Staub
Noch Erleben: blaue Palmennächte,
Farbig Schnitzwerk, bunte Strohgeflechte,
Der Türkise und Smaragde Raub.
Wüstenlippe bläst vergilbten Sand
Noch an herbe, rötlich fahle Mauer;
Hyazinth-Arara zankt im Bauer,
Kaurimuschel rinnt aus toter Hand.
Wo die scharfen Trangerüche wehn,
Wittert Eisbär mit dem schmalen Haupte,
Tappt in Winkel, da betrübt verstaubte
Wunderliche Schiffsgeräte stehn.
Noch in Spinneweben zögert Glast,
Zaubert Jade und Chinesenseide . . .
Fern in Speichern steigt und sinkt Getreide,
Wein und Myrrhe duften um den Mast.
Und die Blicke, die zum Giebel spähn,
Sehn die Kogge hoch ob Markt und Kolken
In des Abends matten Purpurwolken
Dunkelgoldne Segel blähn.
Über uns Abend: schwaches Rosenflehn.
Unter uns Sand. Tote Muscheln. Tang.
Um uns Wind in finsterer Mäntel Wehn
Und Meergesang.
Unsere Nüster sog, die Lippe sann
Ruch von Salz und See und Nichtmehrsein,
Da das Wasser gnadelos hinverrann,
Bleich am Strande traurige Fische schrein.
Seine Lieder troffen von Ewigkeit,
Seine Stirnen schäumten glasiges Licht,
Seine Augen schauten, leer und weit,
Sinkender Welt Gesicht.
Unser zarter Tag entzitterte welk,
Hing wie Fledermäuse im Winterschlaf
Mit erstarrten Träumen am Gebälk
Schwarzen Leuchtturms. Und das Murmeln traf
Unsere Seelen, wallte, wurde groß
In der Brust dir, die umwuchert schwand
Unter Algenhaaren, nachtgrünem Moos.
Und du rührtest mich mit kühler Hand
Stillen Meeres . . .
Als ich das Kind mit grünen Augensternen,
Dein zartes, wunderbares Kind empfing,
Erbrausten salz'ge Wasser in Zisternen,
Elmsfeuer funkelten aus Hoflaternen,
Und Nacht trug den Korallenring.
Und deiner Brust entwehte Algenmähne
So grün, so grün mit stummer Melodie.
Sehr sachte Fluten plätscherten um Kähne,
Im schwarzen Traumschilf sangen große Schwäne,
Und nur wir beide hörten sie.
Du warst den Meeren mitternachts entstiegen
Mit eisig blankem, triefend kühlem Leib.
Und Wellenwiegen sprach zu Wellenwiegen
Von unserm sanften Beieinanderliegen,
Von deinen Armen um ein Weib.
Seejungfern hoben ungeschaute Tänze,
Und wilde Harfen tönten dunkel her,
Und Mond vergoß sein silbernes Geglänze
Um den Perlmutterglast der Schuppenschwänze;
Mein Linnen duftete vom Meer.
Und wieder wachten Hirten bei den Schafen
Wie einst . . . und glomm ein niebenannter Stern.
Und Schiffe, die an fremder Küste schlafen,
Erbebten leis und träumten von dem Hafen
Der Heimat, die nun klein und fern.
Tierblumen waren fächelnd aufgebrochen,
In meinen Schoß verstreut von deiner Hand;
Um meine Füße zuckte Adlerrochen,
Und Kinkhorn und Olivenschnecke krochen
Auf meiner Hüfte weißen Sand.
Und deine blaß beryllnen Augen scheuchten
Gekrönte Nattern heim in Felsenschacht,
Doch Lachse sprangen schimmernder im Feuchten
An Wogenkämmen sprühte blaues Leuchten
Wie aus dem Rabenhaar der Nacht.
O du! . . . Nur du! . . . Ich spülte deine Glieder
Und warb und klang und schäumte über dir.
Und alle Winde küßten meine Lider,
Und alle Wälder stürzten in mich nieder,
Und alle Ströme mündeten in mir.
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