Inhalt
Früher Zyklus I In memoriam 1918
Träume
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Die Frau
Verschneites Feld. Ein Schlitten saust daher,
Und Schellenklingeln, Hufschlag, Peitschenhiebe. -
Die Föhre hüllt der weiße Mantel schwer
Wie eine süße, stille, reine Liebe.
Sie bebt um den, der sie berühren soll,
Will ihre Last dann tiefer, tiefer senken
Und leise ihm, ganz weich und demutsvoll,
Die großen Flocken wie ein Lächeln schenken.
Im Anbeginn
Gott segne dich. Der dich gemacht
Und der dich kennt. Ich kenn' dich nicht.
Ich stehe in dir wie in Nacht
Und starre nach dem Sternenlicht;
Bin doch vom Deingedenken schwer
Wie ein mit Frucht beschenkter Baum
Und wieg' mich trunken hin und her
Und trag' die Last und spür' sie kaum.
Ich weiß, du bist die mächt'ge Welt,
Die klein und gütig ward für mich,
Seitdem mein Wunsch vom Himmelszelt
In deine trüben Tiefen schlich,
Seit alle Wege jahreweit,
Die eilten in beglückte Ruh',
Seit Ewigkeit schon jene Zeit,
Da nichts, da garnichts ist denn du.
Ich weiß, du bist die sel'ge Not,
Die hell aus dunklen Tränen bricht.
O komm'! O komm', du Morgenrot,
Mein Herz wird Lied, mein Leib wird Licht.
Leg' an den Tag, o liebe Nacht,
Drum bitt' ich dich so flehentlich …
Ich kenn' dich nicht. Der dich gemacht
Und der dich kennt, Gott segne dich.
Bekenntnis
Märztag, Märzmittag. Zarter Regen träuft,
Und schon grüßt's: »Frühling!« aus den Tannenstiegen.
Der Schnee wird grau. Ein rotes Eichhorn läuft.
Die goldgestäubten Ammernschwingen fliegen.
Ich schweig', du sprichst. Hast hart die Schuld gehäuft
Und klagst und willst, ich soll sie wiegen.
Ich heb' sie mit den Mädchenarmen: Leicht!
Schwer wie der Regentropfen Glast im Hage,
Der Sonnenstrahl, den Nacht vom Haar mir streicht,
In einer Mutter Kindleins scheu'ste Frage,
Schwer wie der Traum, der deinem Antlitz gleicht,
Den ich durch meine Tage trage.
Opfergang
Ich wußte, daß auch ich geboren bin.
Es ist ein Buch, da steht mein Name drin.
Ich war mir selbst zu eigen zwanzig Jahr,
Trug schwer an mir; da fand ich den Altar
Und hab' auf seinen Stufen scheu mein Ich
Um eine Güte Gott geschenkt: für dich.
Und legte meines Ichseins Glück dazu
Und wurde reich, da nichts mir blieb. Nur du.
Bitte
Nah' dem Glücksweg bautest du mein Haus,
Liebe sä'test du vor seine Schwelle.
Sieh, schon bind' ich mir den bunten Strauß!
Doch dies Glöckchen, herzblutrot und klein,
Glänzte morgens an der Herrgottsquelle;
Zitternd klang's nach dir. Drum laß mich ein,
Daß ich's sacht in deine Seele stelle,
Weil ich Weib bin - und die düst're Zelle
Darf für mich nicht gar so düster sein.
Schenken
Eines Morgens ging das arme Mädchen
Zu dem schwarzen, schlauen, flinken Männchen.
»Macht mich reich, Gevatter, macht mich reich!
Naschwerk will ich schmausen, Seide tragen,
Bis er kommt: und wenn er wieder geht,
Tanzt in seinem Sack der gold'ne Haufen,
Eß' ich hartes Brot im Bettelkleid.« -
Schaut' der Zwerg im Zaubertiegel nach,
Schüttelte den langen Bart und sprach:
Du bist arm, bist wahrlich arm, du Mädchen;
Aber du bist reich, weil du so liebst.«
Mittags ging das unscheinbare Mädchen
Zu der alten, güt'gen, weisen Hexe.
»Macht mich schön, ach Muhme, macht mich schön
Mag der Wind mich küssen, Sonne herzen,
Bis er kommt: und wenn er wieder geht,
Blättert müd' in seiner Hand die Rose,
Lächelt dennoch sanft ihm, der sie brach.«
Schlug die Hex im Zauberbuche nach,
Hob den dürren Finger auf und sprach:
»Du bist häßlich, wahrlich häßlich, Mädchen;
Aber du bist schön, weil du so liebst.«
Als die Nacht kam, lag das schlimme Mädchen
In der schmalen Stube auf den Knieen.
»Mach' mich gut, o Herrgott, mach' mich gut!
Meine Tugend will ich streng behüten,
Bis er kommt: und wenn er wieder geht,
Wird er stolzer, herrischer sich recken,
Froh, da er der Jungfrau Reinheit nahm.«
Ihrer Stimme zog ein Raunen nach,
Leises, zartes Raunen, das ihr sprach:
»Du bist schlimm, bist wahrlich schlimm, du Mädchen,
Und bist immer gut, weil du so liebst.«
Noch eins
Ich wollte schön sein, wie ein frommer Drang
Nach Schönheit ist, - so ohne Lüge schön.
Ich wollte schön sein, wie der Preisgesang
Der Schönheit ist, - ein sternenhoch Getön!
Ich wollte solcher mächt'gen Schönheit Gabe,
Die wie ein Glück vor tausend Sinnen blinkt;
Ich will die kleine Schönheit: die ich habe,
Die eines Herzens Güte in sich trinkt.
Das Kleid
Dies ist mein dunkles Werktagskleid. Schaut es euch an.
Voller Löcher ist es und hat Flicken und Flecken,
Staub liegt auf Schmutz, und graulich Gespinst haftet dran,
Rostige Nadeln müssen die Risse verstecken.
Aber wenn der Feiertag kommt, der Feiertag und mein
lieber Freund -
Ich will's doch nicht von mir legen,
Ich bind' einen kleinen Kranz um mein Herz
Und geh' ihm fröhlich entgegen.
Der Staub auf meinem Kleide flockt dicht, ganz dicht
Und wächst weichfellen und weiß,
Durch alle Risse rieselt silbernes Licht,
Aus Nadelspitzen schlingt sich ein Sternchenkreis,
Und der bunte Tupf wird Perlenschmelz,
Und der hellere Fleck wird Demantstein,
Das Spinnengeweb schnürt den schwanweißen Pelz
In goldige Fäden ein.
Aber das Schönste ist ein winziger Strauß -
Sein Rosengesicht lächelt über den Glanz -
Der brach aus meiner Brust heraus.
Um mein Herz blüht ein Kranz.
Hörst du mich ?
Tausend Träume habe ich,
Hörst du mich ?
Tausend Träume habe ich für dich.
Flogst du eines Nachts vom Schwanenneste,
Hob dein Flügel mich zur Wolkenfeste.
Tausend Träume habe ich,
Hörst du mich ?
Tausend Träume habe ich für dich.
Hundert Namen habe ich,
Hörst du mich ?
Hundert Namen habe ich für dich.
Liebster Freund ... bist meines Gottes Ritter …
Grauer Falter du mit gold'nem Flitter …
Hundert Namen habe ich,
Hörst du mich ?
Hundert Namen habe ich für dich.
Fünfzig Freuden habe ich,
Hörst du mich ?
Fünfzig Freuden habe ich für dich.
Glücklich Lächeln und mein zitternd Schweigen
Buntes Kleid auf sonn'gen Waldessteigen.
Fünfzig Freuden habe ich,
Hörst du mich ?
Aber nur ein Herz.
Für dich.
Junilied
Meine Hand streicht übers Korn;
Silberblondes Rauschen weht:
Läute, läute, liebe Glocke,
Die in meinem Herzen geht.
Jauchze jedem frohen Tag
Wie der Vogelruf im Ried,
Decke alle heißen Tränen
Zu mit einem dunklen Lied.
All mein Tun in schönstem Klang,
Der sich liebem Freunde bringt -
Läute, läute, gold'ne Glocke,
Die mit meinem Leben schwingt!
Gespräch
Mit der Rede peitschte er mich wie mit einer Gerte,
Ich hatte ihn nur noch lieber, da er mich schlug,
Und seine Worte gingen mit mönchischer Keuschheit und
Herbheit und Härte,
Düsterverhüllt, in langem, langsamen traurigen Zug.
Nie kam die verschleierte Stimme mit Lachen und Lied von
heiserer Kehle,
Doch Gedanken waren ein Quell hinter spröde steinernem
Damm,
Und ich sah seine wundervoll scheue, die arme, verwundete
Seele,
Die klein und schwer und blutend im Grunde schwamm.
Die Gabe
Ich aber kam
Und trug für dich mein Herz und Herzensblut
Und trug's in irdengrauer, schmaler Schale
Als einen Trunk zu deinem Schmerzensmahle,
Und was in mir, ward gut und ward dir gut.
Du trankst und schwiegst
Und streust im Grund weichdunkle Erde aus
Und säest Blumen, Herzen, Purpurtropfen,
Die gegen zarte Stengel singend klopfen:
Zu dir ....
Zu Gott ….
Zu dir ….
Nach haus ….
Nachtspruch
Führe Deine Frommen,
Und ihr Ziel, das heiße: Nie.
Laß Deine Lästerer kommen,
Kläre sie!
Und sprich allem Fehlen
Lautloses: Verziehn.
Wiege
Die Seelen,
Arme, irre Seelen,
Die vor dir im Dunkel fliehn.
Gedanken
Ich möchte an deinem Bette sitzen, ganz still,
Als eine kleine Mutter. Bei ihrem kranken Kind.
Ich möchte nichts wissen, das ich will,
Schweigen,
Nur zeigen,
Wie lieb ich dich habe.
Doch kam' ich als Weib, würden die Leute
Schlecht an mir handeln.
In einen großen, schönen Hund
Will ich mich wandeln,
Mit seidigem Fell.
So find' ich dein Haus, muß kratzen
Hart an der Tür, bis du öffnest.
Dann schmieg' ich ruhig mich hin auf den Teppich vor
deinem Lager,
Lieg', die Ohren zwischen den Tatzen.
Wenn einer hertritt, murre ich;
Aber wenn wir allein sind,
Heb' ich manchmal den Kopf und schaue lange auf dich
Mit klugen, treuen Augen.
Märchen
Ich hab' vor deinem Hause still gestanden
In einer Nacht.
Und hatte ganz dich lieb und ohne Maßen;
Ich wies zu dir den Sternen gold'ne Straßen
Und habe selig stumm gelacht.
Ob meinem losen Haar hob ich die Arme
Wie Zweige, schlank und rund.
Da stürzte Regen in das Mainachtschweigen
Und rief sich zage Blüten aus den Zweigen,
Und jede war ein blasser Mund.
Du aber kamst nicht.
So streute ich mit lächelndem Verschwenden
Dem Mond die Blumen her.
Und spürte Treiben herber, dunkler Kräfte,
Mir ward die Frucht voll süßer, süßer Säfte;
Schon fiel sie, duftend, weich und schwer.
Du aber kamst nicht.
Eishagel tanzte höhnend auf den Steinen.
Da klaffte schwarz ein Schacht.
Drein ließ ich die zerbrochnen Arme hangen.
Geblüht und Frucht getragen - und vergangen
In einer Nacht.
Auf dem Bahnsteig
Rauchstandarten flattern,
Decken zu das Rot im West,
Eisenlieder knattern,
Brausend stampft der Zug sich fest.
Seine Scheiben klirren,
Menschen schöpft er aus und ein;
Dunkle Mäntel irren,
Niegehörte Stimmen schrein.
Dort wo sie sich stauen,
Muß ein Griff den Laden drehn,
Wird das Antlitz schauen,
Drin die liebsten Augen stehn.
Über bunte Kappen
Steigt des Fahrtschilds fahler Kreis,
Gier'ge Türen schnappen,
Um den Schornstein schäumt es heiß.
Hinter allen Fenstern
Fremde Augen hier und dort;
Wolken gleich Gespenstern
Fliehen stumm in Dämm'rung fort.
Auf die graue Schwelle
Klopft mein Schuh sein Einerlei:
»Standst an falscher Stelle;
Der dich kannte, fuhr vorbei .... «
Trübe Zeit
Wir rücken schneller todwärts in den Tagen,
Da um dies Wunderbild, vor dem wir knie'n,
Die geist'gen Fernen graue Tücher schlagen
Und uns're frommen Freuden zögernd fliehn,
Da alle Blumen, die aus kleinen Beeten
Wir für das Liebste überreich gepflückt,
Am Weg wir finden, welk, bestaubt, zertreten,
Und nirgends den Altar, den sie geschmückt.
Wie innig bittend unser Herz gesungen
Aus tiefster Angst vorm Dämmer, der's umfing,
Jetzt schwingt es müde in Erinnerungen,
Da all sein Flehn in fahle Leere ging.
Wie köstlich heiter uns're Wünsche tanzten,
Ihr Schritt hat keine Blütenflur gezeugt,
Und wenn das Mandelbäumchen, das wir pflanzten,
Sich unter ungestirntem Himmel beugt:
Dann kommen Stunden gleich gefang'nen Tieren,
Die lauernd um im engen Käfig gehn,
Aus seelenlosen Augen träge gieren,
In stumpfer Demut an der Pforte stehn.
Wir sind verdammt zu ewig krankem Lungern,
Und wirft uns Hoffnung karge Brocken her,
Wir kennen kaum die Not, dran wir verhungern;
Von Wind und Sonne wissen wir nichts mehr.
Einsamer Tanz
Meine Füße tauchen in den Teppich, gaukeln auf dem
bunten Meere,
Klappernd um die Knöchel hüpft grüner Kugelketten Zier.
Meine nackten Füße wissen nichts von Müh' und Schwere,
Meine Lenden wissen nichts von Scham vor dir.
Mein bemalter Schwebeschleier
Sprengt mit Rosen einen Leib, der ist Elfenbein;
Weiße Seide streicht, wie geballter Windhauch über einen
Weiher,
Meine Arme stoß' ich tief in die luft'ge Lust hinein.
Vor dem harten, kalten Spiegel tanzt' ich immer.
Deine wasserhellen Augen werden Spiegel für ein Weib,
Dennoch starrst du mit so toten, äuß'ren Blicken in dies
Zimmer:
Du erschaust die Seele durch den dargebot'nen Leib.
Doch ich irre. Nur dem eig'nen Bilde warf ich dieser Blöße
Glanz entgegen,
Und der Sessel, drin du sitzen sollst und sehen sollst, ist leer;
Du fährst über Feld zu Knecht und Herde, wiegst den
Ackersegen -
Denkst du einmal her ?
Deine Hände schaffen plagevolles Werk am Ende,
Meiner Lippen Wünsche gehn im Schritt der Schenkel,
scheu wie Diebe,
Küssen deine schmalen, schlanken, deine bleichen, eis'gen
Hände,
Die ich innig liebe.
Die Aztekin
Ich liebe dich.
Und meine Welt ist schön
Und bunt und seltsam gnug. So komm' mit mir
In meine Welt. Und greif an meine Hand -
O scheu mich nicht! - Aus meiner bunten Welt
Trug ich dies grün und rote Federkleid
Zu dir. Das dir gefällt. So rühr' es an,
Und schmiege deine Finger in den Glanz,
Denn Glänzend'res und Weich'res kennst du nicht
In deiner fahlen, harten Heimat. Löse
Den sanften Flaum von meinen kleinen Brüsten,
Wenn du nur willst, und nimm ihn dir. Ich möchte
Dir soviel schenken. Doch ist wenig mein
In deinem Lande.
Sonnenhaupt, du bist
Gleich deinem großen, gold'nen Vater Licht,
Nicht Glut gleich ihm. Und in den hellen Händen
Magst du nicht meine halten. Diese Hand
Ist Nacht so wie mein Leib, so bin ich ganz
Aus tierbraunem Gestein für dich gemacht.
Ein tiefer, glimmendroter Schein durchleuchtet
Mich als ein dunkles Haus. Doch deine Mädchen
Sind weiß, sind Rosen, höchstens gelb.
Ich sah,
Du kehrst dich voll Ekel von mir ab,
Von meiner nackten, rötlichbraunen Haut,
Die unter starrem scharfen Armreif zittert
In deiner Kälte. - Licht, du liebst das Gold;
Ich habe Gold.
Es ist nur wenig mein
In deinem armen Lande.
Und auch Schönheit
Ist nicht mehr mein. Denn deine Brüder zögern
Vor meinem häßlich-sonderbaren Antlitz
Und flüstern staunend: Ohne hint'res Haupt
Von langem dünnen Halse schau' es her;
Das sei ein Wunderding. Die enge Stirn
Sei nieder-rückgezwängt. Glattschwarzes Haar
Bau' drüber steil und spitz sich auf, ein Turm.
Ich leb' mit Mund und Augen, ihnen ähnlich -
Viel nackter doch mein Auge. Und die Nase
Sei fein, ganz schmal und schnabelhaft gebogen.
Ich seh' auf sie mit Vogelsangesicht,
Schmück' mich mit Vogelkopfputz; im Gefieder
Späh' ich geduckt, ein furchtsam Tier, umher.
So hab' ich auch, dem Geierweibchen gleich,
Auf dich, auf dich gewartet, Sonnensohn,
So lange.
Sieh', du ließest deine Brüder
Den zarten, winz'gen Kopf mir ganz umwinden
Mit schwerem schwarzen Schleier, daß mich keins
Aus deinem Volke mehr erblick' und fürchte.
Nun bin ich blind durch dich. Ich hör' dir zu,
Führ' hinter einem finst'ren Nebel dich
In meine Welt. Und meine Welt ist schön
Und bunt, dir seltsam fremd.
Ich liebe dich.
Träume:
1. Wunschlied
Du solltest zu mir kommen in der langen Nacht.
Sie hätt' aus Silberseide dir ein Bett gemacht.
Drum solltest du bei mir schlafen die ganze lange Nacht;
Mein kleines dunkles Auge war' ein tiefer, tiefer Schacht.
Mein Auge war' ein Brunnen, im Grunde Geisterlicht,
Da schautest du unter der Wirklichkeit allen Glückes
Gesicht.
Träume blieben in Stunden stehn und säh'n dich an: Es ist
wahr.
Sehnsucht würf' den Flügelhut aus ihrem brennenden Haar.
Alles was süß ist und warm ist, leis deine Lider nur streift,
Hätt' Nacht in roter gespaltener Frucht für deine Lippen
gereift.
Meine Locken wären feines braunes Gras und Kraut,
Aus den Halmen sprängen Blüten wie du sie nie geschaut.
Blüten von so fremdem Duft, Blüten von so selt'nem
Schein Schütteten mit unaufhörlich sachtem Rieseln ganz dich ein.
Aber meine Arme kröchen, list'gen Schlangen gleich,
Durch den Blumenwald zu dir, schön und schwellend, bunt
und weich.
In schillernde Schlingen verstrickt, in Blütenwehe verschneit -
Könntest du noch erwachen vor lauter Seligkeit ?
2. Liebe im Grase
Die Blumen standen wie ein wirrer Kranz,
Brautkranz für mich, Siegerkranz für dich -
Sie leuchteten vor Scham und jungem Glanz
Und dachten sich
Wohl einen weißen, weißen Schmetterling
Oder einen raschen, roten Falter,
Der schwer an ihren offnen Kelchen hing'.
Die Sonne kam, aus Rot und Gold und Braun,
Braungold wie mein Haar, Rotgold wie dein Leib -
Trat frei ins Blätterhaus, uns anzuschaun,
Denn sie ist Weib,
Ist warm und weiß, wie schamlos Liebe gibt,
Und beschenkte uns mit blühnden Lichtern.
Die Sonne ist ganz nackt wie wir und liebt.
Die Sonne glühte nackt und freute sich:
Freude an dir, Wohlgefall'n an mir -
Und meine Augen glänzten ewiglich
Vor Glück in dir.
Und meine Brüste haben weich gelacht,
Da sich rings die bunten Vögel riefen,
Und streiften ein Marienwürmchen sacht
Aus deinen blonden Halmen, ehe wir entschliefen.
3. Abend
So süß ist Schlaf, so tief ist Ruh',
So gut ist's, selig-still zu sein;
Nun zieh' den weißen Vorhang zu,
Und laß uns in einander ein.
So trag' ich dich, so trägst du mich,
Da dunkelblaue Weiher sind;
Du spiegelst mich, ich spiegle dich,
Bis mählich Bild und Glanz verrinnt, -
Da hebt und senkt es leise sich
Und weht wie Schilf im Abendwind.
So schwer dein Haupt, so klein der Raum
So schön ist's, wehrlos gut zu sein;
Du schläfst: Nun schwimmt auf deinem Traum
Mein waches Sinnen zu dir ein
Wie glockenzarter Glitzerschaum,
Der zitternd singt im Dämmerschein---
Aus der Nacht
In den Tag
Trag' ich sorglich, schwarzen Sammet drüber,
Meinen großgeaugten Traum herüber
Aus der Nacht.
Aus der Nacht
Führt mich nicht die altvermorschte Stiege;
Einst gleit' ich im Schaukeln gold'ner Wiege
In den Tag.
Es ist ein Lied
Es ist ein Lied, das nie gesungen ward.
Am toten Abend ruht's auf Mädchenlippen
Wie roter Blüte schwüler, süßer Duft. -
Doch eh' sie seiner Sehnsucht Wunsch empfunden,
Kommt jähe Nacht mit lauten Sternenmunden,
Mit monddurchklung'ner, schneeglanzheller Luft,
Und unerlöst zerrinnt's: ein Hauch, ein Seufzen.
Es ist ein Lied, das nie gesungen ward.
Es schläft in einsamem, verschloss'nem Glase,
Es ist erwacht im kühlen, blassen Wein,
Blüht schwebend auf dem unberührten Grunde.
Doch bald lacht Frohmut von des Trinkers Munde;
Da geht es scheu zum letzten Tropfen ein
Und wird hinweggeschüttet mit der Neige.
Es ist ein Lied, das nie gesungen ward.
Aus eines Weibes unbegehrtem Lieben
Quoll's, schwerer Schmuck, um Stirn und dunkles Haar,
Verschwelt' in bleicher Glut, die keiner küßte,
Und dachte, daß sie's einst erkennen müßte.
Sie ahnt' es nur. Ob das Erfüllung war,
Entsagung war, was sie vergessen machte ?
Es ist ein Lied, das nie gesungen ward . . . .
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