Franz Marc
TIERTRÄUME
vor 1933
Inhalt
zurück zu Gertrud Kolmar Die Gedichte
Ein Tagebuch
Mir ward der Stab geschnitten,
Der zu Erinnrung führt.
So bin ich hingeschritten,
So hat mich lebend angerührt
Das Gras an meiner Sohle,
Der Tannen Sturmgeharf
Und sagegraue Dohle,
Die Hütte von der Schulter warf,
Herzschrei aus tausend Pflanzen
- Ein Wehn in meinem Kleid -
Des Eichhorns rotes Tanzen,
Der Gelbbauchunke Krongeschmeid.
Was einstmals scheu mich streifte,
Mit Mückenwort umsummt,
Das wuchs sich groß und reifte
In ein Geläut, das nicht verstummt,
An Feldermark und Schneise
Die blaue Glocke hebt,
Gedicht der Nonnenmeise,
Die goldne Arabesken webt.
Das alles diente heiter
Dem Tage, der mich ließ,
Das alles ward Begleiter
Dem Fuß, der an Vergangnes stieß,
Und ruhten schwere Dinge
Wie Stein in Flusses Lauf,
Es sank Libellenschwinge
Und nahm sie leicht und liebreich auf.
Gute Nacht
Die Hände kann ich falten, lieber Mann,
In meinem Bette sitzen, für dich beten.
Der meine Silberkerze ... Tagtraum dann
Von ungezählten weißen Margareten,
Die ich im Sprühtau pflückte – fortgekramt
Und eingesenkt in lauter fremde Dinge
Mit deinem Bilde, das sie wirr umrahmt
Und mit der Dolde blonder Schmetterlinge,
Die schwebend blühten in dem jungen Kranz.
Es ging ein stilles, kühles Abendgrauen.
Nur einer öffnet klein und ohne Glanz
Sich langsam über meinen Brauen.
Die Reiher
Die schwarzen Reiher flogen über grüngoldnes
Birkengerinnsel:
Pfeilvögel, Speervögel mit starren Schnäbeln und Stelzen,
An einen rosa Himmel getuscht von chinesischem Pinsel
Unter Gewölkburgen, die in rauchblauen Ost sich wälzen.
Der Vögel verwunderte Augen spiegeln gewichtlose Erze,
Abends Geglüh. Sie zielen in reglose Ferne mit Hälsen.
Fort, fort über Hutweidenpappel, einsam auflodernde
Kerze,
Fort, über Wildsuhle fort, umbäumt von finsteren Elsen.
Sie kennen nicht Fall aus der Höhe, nicht Beutelockung,
Ermatten.
Ihre Gefährten schlürften aus Teich, dem bauchigen Kruge,
Duckten sich dann ins Wipfelnest: Wärme und Schatten;
Ihnen sickern Gestirne milchig und kalt aus dem Fluge.
Warf eine starke Hand sie auf schwebende Reise,
Um von Nachtwelt mit ewigen Flügeln den Lichtstaub zu
wischen
Oder am Ausgang des Alls doch nur bekömmliche Speise,
Sättigungslust aus trübem Tümpel zu fischen ?
Die Reiher flogen ... Kleiner als eine Motte,
Nur scharf und dunkel der erste, den Spähblick einfangen
konnte;
Der zwölfte schien heller und größer. Ein Letzter der Flotte
War dunstig grau und bedeckte die Horizonte.
Die Unke
Sprich leis, verlösche nicht
Das weinende Gebet,
Der kleinen Unke Nachtgedicht,
Das zwischen Halmen weht,
Nur Klage ohne Zorn,
Ein gläsern Stimmenspiel,
Da jedes Glöcklein mit dem Born
Sich hob und wieder fiel.
Sie ist der schweren Flut,
Die Seele, eingeschlüpft,
Die unter glatten Steinen ruht,
Von brauner Wurzel hüpft.
Sie schleppt nicht Klau und Dorn,
Sie ist dein zartes Kind,
Weiß doch, wie traurig Mondenhorn
Und Nebelfahnen sind.
Durch ihre Hände flohn
Die Schätze mannigfalt;
Sie saß auf einem Silberthron
Von magischer Gewalt.
Ob sie hinabgestürzt ?
Ob er in Röhricht sank ?
Die ward um jeden Schmuck verkürzt,
Die dunklen Schmerzwein trank.
Tritt leis, verschütte nicht
Die Bitte, ungestillt,
Die schluchzend ihren Krug zerbricht,
In grauen Bergsee quillt.
Goldene Muschel
Goldene Muschel verzittert im Meer
Unter dem flammenden Sterne,
Glasgrüne Spielweilchen schmeicheln sich her
Zu einem singenden Kerne.
Denn ihr Belebtes ist schweigsames Lied,
Lautelos schlüpfendes Lachen,
Seele, die zärtlich und schwimmend entflieht
In ihrem glitzernden Nachen.
Träumt der Kristall, ein gefesseltes Nichts
Hinter der rosa Gardine ?
Fing sie die Sprache des Schäumegesichts,
Trägt sie Musik der Delphine ?
Wie in Erinnrung zerflimmerndes Leid
Wandelt sie mit den Gezeiten
Oder wie eine Glückseligkeit,
Nimmer in Nähe zu gleiten.
Tauche ich Arme, vom Algenhaar schwer,
Hebe ich Hände, die triefen,
Goldene Muschel durchzittert das Meer,
Sinkt und versinkt in die Tiefen.
Die Rehe
O Frauen, die in Nacht zerrinnen!
O Männer, die an Weisern stehn!
Euch bleibt ein kurzes Sichbesinnen,
Dann müßt ihr wenden und vergehn.
Mag sein, in traurigem Vergeben,
Mag sein, in trotzigem Sichheben:
Ihr sinkt doch waldwärts mit den Rehn.
Die Rehe suchen reinre Pfade
Durch Indischmoos, an Brombeerwand;
Des Waldes lieblichste Ballade
Hegt Vogelnest, spielt Buchenhand,
Doch ihnen wachsen manchmal Träume
Aus Häuptern, kleine braune Bäume
Auf einem braunen Fleckchen Land.
So sanfte Augen. Drinnen dämmert
All ihrer Monde Zug und Hauch.
Ein Quell erklingt. Ein Blauspecht hämmert.
Ein Grünes gilbt am Haselstrauch.
Dann leiden sie Geflock und Winde,
So leiden Mütter still am Kinde,
So leiden sie die Kugel auch.
Sind hingestürzt und tot gefunden
Mit stumm zerbrochenem Gesicht.
Wer löschte achtlos ihre Stunden
Und hütet seine als ein Licht ?
Ist dieses Wesen denn so nichtig,
Nur euer Leben gar so wichtig ?
Ach, wüßtet ihr's. Ihr wißt es nicht.
Legende
Der Mensch fror auf dem Lager. Denn ein Maul,
Ein Widdermaul, das weiß durchs Finstre schien,
Zog seine Decke. Abgehärmter Gaul
Schnob leis am Bett, lag plötzlich auf den Knien,
Und jenes hingeworfne Kissen trug
In seinen Buchten wie vereister See
Ein Entenpaar; aus klaffendem Bezug
Quoll Daune, schwoll in einen Hügel Schnee.
Den kleinen fellgewirkten Teppich riß
Der Wolf, geschunden, häutig, blutendrot,
Aufröchelnd, zuckend mit gefletschtem Biß:
»Dies war mein Kleid! Und darum bin ich tot?«
Der Mensch im Schlafe murrte. Durch den Hauf
Der Tücher floß verloren blauer Schein;
Die seelenleeren Stengel wallten auf
Und wuchsen licht. Er schläft in blühndem Lein.
Ein Strudeln hebt am offnen Fenster sich.
Das Meer, das Meer! Die Zunge leckt und kriecht
Und läßt ein plumpes Tier, das weinerlich
Die Seehundstasche hinterm Schrank beriecht.
Und tiefer strahlt der Lein und tiefer sinkt
Der Träumer ein. Gehöhltes Riesenherz,
Hockt neben ihm ein Berg und greift und trinkt
Das mählich Tropfende, der Bettstatt Erz.
Die Diele drunter wölbt sich abwärts, birst
Zum Baum, der tausendblättrig lebt und lacht.
Die Mauer knirscht. Sie wankt vom Grund zum First
Und rieselt nieder. Einer ist erwacht;
Er findet Dunkel und ihm ist sehr kalt,
Und sein vergangner Tag ward fernes Klirrn. -
Der Mensch stand nackt. Und um ihn stand der Wald
Und über ihm ein schweigendes Gestirn.
Arachne
Wie du schrumpfend zum Mulme zerrinnst,
Wenn die lichtrote Gerte dich traf,
O du nebelweiches Gespinst
In den samtenen Wänden von Schlaf,
An den kupfernen Türen zum Traum
Und versteckt unterm Simse der Nacht,
Da der weite Forellenbirnbaum
Seine süßesten Früchte gedacht.
Wie der Faden sickert und sinkt,
Wie das Küglein haspelnd umflicht,
Bis die taublaue Fliege ertrinkt,
Nicht mit wehrendem Fuße mehr ficht,
Bis die taublaue Fliege erschlafft,
Die ich selbst, Verfallene, bin;
Mich wiegt eine seidene Haft,
Und die Stunde kriecht über mich hin.
Ich seh' eine zwergige Hand,
Und ich seh' einen winzigen Schuh;
In Körnern nieselt der Sand,
Stäubt krustend das Auge mir zu.
Ich falte mich müde genug,
Vom Spinnseil zittrig gedreht:
Der kleine gläserne Flug,
Der einst in Sonne verweht.
Die Morgenvögel
Die Morgenvögel zwitschern süß und leise
Ihr Kettlein, Perlspagat.
Sie werfen's in die taugekühlte Schneise
Zu Dämmer und Granat,
Den starke Faust aus Horizontes Schächten
Als blut'gen Barren bricht;
Er wuchs im tiefen Grau von tausend Nächten,
Er schmilzt in goldnes Licht.
Die Morgenvögel zirpten süß und leise
Ihr Kettlein, Perlspagat.
Sie singen lauter nun zur Tagereise
In Gärten, Wald und Saat.
Sie saßen, als die Sternenstunden kamen,
Verweht und klein im Laub
Und schliefen ein und ließen ihre Namen
Und blieben Wild und Raub.
Nun sind sie Wiesenschmätzer, Drosseln, Finken,
Sind Kirschpirol und Star.
All ihre zarten, feuchten Töne blinken
An grünem Erdenhaar.
Sie zeichnen Sang, perlmutterfarbne Sage
Dem reinen Himmel ein;
Aus Kerkernetzen aber zittert Klage,
Vertropft auf Sand und Stein . . .
Die Abendvögel füllen süß und singend
Ihr Krüglein Silbernaß.
Nun stößt ein Wind es um. Es gießt, zerspringend,
Sein Herz in Moos und Gras.
Der Rosenkäfer
Es ist ein elend Sein, es ist ein Ding der Dinge,
Der Splitter, abgefeilt von Gottes Siegelringe.
Ihr nennt es Junistern, der blauen Tagen gleißt,
Ich nenn' es Zaubertier, gezeugt im Blumengeist,
Den uns kein Kräutermann noch Wunderarzt verhandelt,
Den höchste Alchimie allein erkennt und wandelt;
Denn dies, der Rose Licht und Blut, davon es zehrt,
Ist, was sich ihm zu grün und braunem Golde kehrt.
Der Specht
Echsenvogel an Zweigen,
Der wundersam sich biegt,
Da grasverharschten Steigen
Ein Rindesplittern fliegt.
Auf seinem Scheitel gefrieren
Blutstropfen erster Zeit,
Eh' sich aus kriechenden Tieren
Seliger Flug befreit.
Schlupfender Gedanke,
Agame, bunt im Tau,
Zuckt mit seiner Flanke,
Hockt auf seiner Klau.
In Höhlen, tiefgemeißelt,
Träumt er sich Urnachtsgreif;
Wutschrei der Meere geißelt
Blind sein Schuppenschweif,
Dreiaug' erspäht die Feste,
Und Kralle würgt den Stamm,
Riesig zerspaltene Aste
Klatschen in wimmelnden Schlamm. -
Nun huscht er, fiedrige Wühle,
Grün wie Leguan,
Und Eidechs glitt aus der Kühle
Ihm nah', gefüßelter Kahn,
Arme Muhme, befehdet,
Versunken und verflucht,
Die Vogel nie mehr beredet
Und heimlich doch besucht.
Teichfrosch
Die blonde Weide löst Ihr Haar zum Bad,
Und träge Welle flößt Es lustlos matt.
Wie Himmel lächelt blau Vergißmeinnicht,
Das unter Tränentau Sein Verschen spricht.
Libelle sirrt den Reim Ihm flüsternd vor.
Der Schnecke Silberschleim Umrinnt das Rohr,
Das schweigend Sonnenblick Und Glut empfängt,
Sein schlankes Schilfgenick In Demut hängt.
Ein zarter Schwirl erlosch Im Schwebesturz.
Die Schwertel deckt den Frosch, Die Gilgenwurz,
Der Halme Zitterkranz, Ihm viel zu weit;
Smaragden frischer Glanz Sein atmend Kleid.
Wie wohlig eingeduckt Er haucht und schwillt,
Da Rieselfeuchte gluckt, Zerschülpt und quillt.
Die Glitzerfliege loht; Er hascht sein Mahl
Und bricht ein goldnes Brot, Den ew'gen Strahl.
Wie seine Gnomenhand Die Erde kennt,
Ist Wasser, Luft und Brand, Kein Element,
Ihm unberührbar fern, Der schnell verzuckt:
Ein winzig grüner Stern, Den Bläue schluckt.
Die Biene
Die kleine Seele
Zarter Symbole
Taucht in das Füllhorn
Früher Gladiole,
Schöpft weiße Schaummilch,
Brockt gelbe Bretzel,
Folgt eines Windes
Freundlichem Rätsel.
Flughauch läßt klingen
Goldtropfenblumen;
Da sie noch schwingen,
Löst sie die Krumen.
Winziger Engel,
Summende Flocke,
Rührt sie den Schwengel
Glitzernder Glocke.
Des Kindes Auge,
Das Gott zerbrochen,
Eh' es zu Rosen
Leuchtend gesprochen,
Schwebt aus den Lidern,
Die sich ihm sperrten,
Hängt braun und samten
An Sonnengärten.
Ein Kind
Wo harrt, die dich geboren hat,
Wie lächelt, die dich wiegte,
Die schwebend ein betautes Blatt
Um deine Knospe schmiegte,
Die dich in Schmerz und Erde warf
Aus ihres Schoßes Falten,
Dich mit den Lippen trinken darf
Und mit den Augen halten?
Dir hängt der Garten, liebste Frucht,
An ihres Morgens Bäumen.
O Süßigkeit! O Eifersucht!
O blonder Bäche Schäumen
Um Rasengrund und Wurzelherd
Zur fernen finstren Grube!
O Kugelnetz und Steckenpferd
Auf einer Glockenstube!
Wie willst du heißen: Nichts im All
Und Mensch aus Menschenrotte,
Ein Hüpfen deinem Gummiball,
Ein Scherzen deinem Gotte ?
Was bist du ? Brauner Goldfasan.
Was bist du ? Blumenwespe.
Was bist du ? Sonne Löwenzahn.
Was bist du ? Junge Espe.
Dein Leben ist ein Kreiselpflock,
Hat rot und grüne Ränder,
Du schlägst ihn mit dem Peitschenstock
Durch hundert reiche Länder
An unsre Straße, mürrisch alt,
Mit Fenstern, die erblinden;
Da springt er in den Pflasterspalt
Und läßt sich nie mehr finden.
Der Freund
(An den Menschen)
Häusergassen, die du zückst,
Fliehn zu Forst und Ähren,
Kleine Kammern, die du schmückst,
Mögen nicht ewig währen,
Sonne sperrt sich geizig zu,
Hockt in Wolken verborgen,
Deine Sterne gehn wie du
Bleichend in den Morgen.
Deiner Buche Schattenspiel
Wird ein Herbststurm ermüden,
Wenn der Singevogel fiel
Tief in goldnen Süden,
Wenn der Apfel grün verdorrt,
Wenn dir dies nur reifte:
Daß ein warmes, zottiges Wort
Deine Hände streifte.
Daß ein treuerer Blick geschaut
Auf dich Einen droben;
Tempel, die du dir selbst erbaut,
Können dich so nicht loben:
Furcht, von Müttern dir gepflegt,
Grimm aus Väterschädeln
Hat sein Sprung zu nichts gefegt
Mit einem freudigen Wedeln.
Wie dich Lebens Schuld und Leid
Auch der Welt verfemen,
Einem ist der Staub geweiht,
Den deine Füße nehmen,
Einem ist die Brunst erhellt,
Die dir schwächlich glühte,
Der vor deine Blößen stellt
Jauchzend seine Güte!
Seinem Feinde
Willst du aus Rosen Kuchen backen,
Nährende Kuchen, braun und weiß,
Oder vom Kote Fliegengeschmeiß
Setzen in köstliche Seidenschabracken
Oder den armen Vogel dann
Mit dem Kuhstrick an eine Wiese binden,
Wirst du den Karrengaul blutig schinden,
Weil er zur Plage nicht singen kann ?
Du Mensch. Warum willst du den Hund denn richten ?
Er stahl keine Uhren, er ist ein Tier
Wie Fuchs, wie Luchs, mit Esel und Stier.
Er kann im Mondpark nie mit dir dichten.
Der Nachthimmel ist ihm nicht ausgesternt.
Doch Sonne, doch Freude scheint warm seinem Felle;
Er dankt ihr mit frohem Geheul und Gebelle,
Weil er es so von der Mutter gelernt.
Verstand, wie darfst du die Seele verklagen ?
Vergissest du auch, da du Wunden noch spürst,
Sinkst nieder, freundlichen Auges, und rührst
Die Hände, die dich mit Prügeln geschlagen,
Und küssest den Nagel, der dich geschrammt,
Den Stiefel, der deine Lende zertreten ?
Den Hund sah keiner in Tempeln beten;
Drum ist er auf immer und ewig verdammt.
Du kleiner Richter, wie wirst du bestehn,
Der du dich selbst in die Mitte gesetzt,
Den Wolf verbannt und das Wildschwein gehetzt
Und die Kugel versprochen den weinenden Rehn ?
Einmal fällst du von Straßen und Wegen.
Und der Hund, der zuviel dir umherspringt und bellt,
Wird vor dir sitzen, groß wie die Welt,
Und auf dein Hirn seine Pfote legen.
Der Tag der großen Klage
So brach der Tag der großen Klage an.
Sie stiegen aus den Wassern, Meere voll,
Sie sprangen von dem blauen Bett der Himmel
Und füllten so die Erde mit Gewimmel,
Daß wie ein Brodeltopf sie überquoll.
Von abgelegnem Hofe, Burg und Dorf
Auf alle Wege zogen Qualgestalten,
Um schaurig mit Gebresten, Rissen, Falten
Das Feld zu decken als ein dunkler Schorf.
In Städten fielen Menschen auf die Knie'
Und murmelten Gebete, heiß vor Grauen,
Doch mancher ragte ganz allein in Auen,
Der, irrgeworden, fuchtelte und schrie.
Denn wie mit schwärzlichem Geflock beschneit,
Verhüllten Fenster sich und Straßensteine,
Da Fliegenstummel krochen, ohne Beine
Und ohne Flügel. Menschengrausamkeit.
Aus Wäldern hoben sich der Mittagsglut
Die stummen Augen blindgestochner Sänger,
Maulwürfe liefen - und da war kein Fänger -
An jeder Schnauze hing das Krümchen Blut.
Und Karpfen schnellten mit zerfetztem Bauch
Und rote Krebse lebend aus dem Tiegel,
Von Mauern rollte Wunderarztes Igel,
Geschwärzt in einer Zauberesse Rauch.
Doch aus dem weißen Saal der Wissenschaft
Begann ein Strömen wie aus offner Schleuse
Zerschnittner Ratten und entstellter Mäuse,
Ein Treiben unergründlich ekelhaft.
Und was an Raubgetier im Gitterhaus,
In ödem Tierpark sich die Brust zersehnte,
Verging in einer Pilgerschar, die dehnte
Sich zwischen siebzig Städten endlos aus.
Und alle nahten riesigem Gefild,
Das plötzlich da war, jäh, für diese Stunde
Zuletzt noch arme, demütige Hunde,
Die Steuermarke um als Heil'genbild.
Da, an die Welten flog ein großer Schrei.
Mit braunem Pferd, dem Eselhengst,
dem Stiere Sprach der Gerichtstag totgeplagter Tiere
Den Menschen nicht von seinen Morden frei.
Und tausend Leiber wiesen ihm ihr Grab
Und hunderttausend ihre Folterstätten,
Es schwebte keine Taube, ihn zu retten,
Kein Lämmlein trug ihm selbst den Hirtenstab.
Und dieser Helfer, dran er sich gesonnt,
Zerschlug wie Glas mit ungeheurem Krachen,
Und eine neue Gottheit spie wie Drachen
Die Flamme einem neuen Horizont.
Der Geier
Du hältst die Flügel gebreitet
Über ein Lehen von Licht.
Die Zeit, die kränkend schreitet,
Welkt deine Blume nicht:
Blume, fleischroter Lappen,
Flockfeder, schwarz oder rein;
Hakige Fänge schnappen
Den runden Erdklumpen ein.
Du zwingst mit ihrem Griffe
Die Welten, neu und alt,
Südsee-Korallenriffe
Und den brasilianischen Wald.
Du stürzest in ihrem Griffe
Die Welten, neu und alt,
Eismeers krachende Schiffe
Und die Höhle von Basalt.
Deine Schwingspitzen rosten
Am himmlischen Erzdach fest;
Die eine haftet im Osten,
Die andere zeigt nach West.
Dein kahler Schrei springt in Stürme;
Der einsam Erkennende siecht,
Wenn Wintermond, totes Gewürme,
Dem Schnabel maisgelb entkriecht.
Wie meutrisch Vulkane flammen,
Kalt funkelnde Gletscher zertaun,
Du krallst den Brocken zusammen,
Drin Ameisstädte sich baun,
Und senkt sich loderndste Mähne
Im Schauen deines Gesichts,
Es fällt keine einzige Träne
Dir fern in unendliches Nichts.
Die Ottern
Die Ottern sitzen fernen Königinnen
Im Schoß und züngeln ihre Schalen leer
Und tragen Kronen, die von Golde rinnen,
Und tragen Augen, heliotropenschwer,
Und tragen andre Augen, da, Berylle,
Die Salzseetropfen härter sich geballt,
Und all ihr Wort ist eine schmale Stille,
Und all ihr Kuß ist kümmerlich und kalt.
In Tempel legen sie die Fieberblume,
Umschlingen das Geweihte, Bild und Schrein;
Sie dünken heilig sich am Heiligtume,
Sie lächeln Betern Rührung und Verzeihn
Und kränzen erznen Ring um Apfelbäume
Und nisten brütend in der Ahne Heim
Und ziehn bedacht durch eines Menschen Träume
Den glatten Faden, silberblassen Schleim.
Auf sonnenbraun und rosenroten Kissen
Ruhn ihre Schuppen, ewig ungezählt.
Dem großen Zaubrer heißen sie Gewissen;
Er hat sie jedem Erdenlos vermählt,
Und jener Leib, der in verhülltem Erker
Sein Gift auf rauschgeschürften Onyx spie,
Schleicht in der Thronburg unterirdische Kerker
Zu den Gefangenen ein und tröstet sie.
Der Hamadryas
Der große Hundskopfaffe starrte in die Dunkelheiten.
Im Fensterausschnitt saß er steil, ein Götzenbild,
Und sann der Waage nach und wägte die Gezeiten
Und maß den Mond, der nur ein kleiner bleicher
Mohrenschild.
Denn unter dem gebuckelt runden Lichte schwirrte
Ein Regen Pfeile nieder, strahlleicht, fein,
Und brach die Scheibe nicht, die immer sanft erklirrte,
Und trat so wie in Wald, in grünlichgrauen Mähnen-
mantel ein,
Ihn nur mit einem Gifte silberblau zu schminken.
Dann rollte läutend aus Gestrüpp und fahlem Kraut
Das Bündel erdwärts, jäh zerschelltes Blinken,
Und kerbte kaum die Starre rosabrauner Haut.
So ragte der Bemähnte: ein Geschöpf, das nie begonnen
Und ein Geschöpf, das niemals enden kann,
Die langen Arme wie von Schattenwebe eingesponnen,
Mit nackter Lende. Er war Mann.
Weit draußen schrie ein Triel auf der Platane. -
Die Augenäpfel blickten glitzernder, fast weiß,
Und grauenhafte Wollust aller Paviane
Berührte mich durch vorgetürmte Kissen kalt und heiß.
Sommer
Dich hab' ich unterm Mond geträumt.
Denn die ich liebte, waren hell:
Aus Weizensaat, aus Pumafell
Weht' Silber ihren Haaren.
Du saßest in Lupinenau,
Der Kerzen Gelb, der Tropfen Blau,
Mit deinen stillen Augen.
Du schienst ein hagrer roter Mann.
Dein Adlerkopf war schwarz bemähnt
Und starr, wie lang sich Locke strähnt
In westlicher Savanne.
Und Mittag war, und hohes Licht
Schuf edles Erz in dein Gesicht:
Ein Kupfer, tiefes Glimmen.
Zwei schwarze Hähne standen dir
- Doch grünmetallischen Geblinks -
Der eine rechts, der andre links,
Mit stolzen Sichelschweifen.
Das Maiskorn trug mir bloße Hand;
Ich säte schüchtern, ungewandt.
Die scharfen Schnäbel pickten.
Du rücktest nicht, du hobst den Blick
Und hieltest ihn ob einer Welt,
Drin Staubweg und Lupinenfeld,
Auf meinen warmen Nacken.
Da flog ich in dein Mähnennest
Mit meinem Mund und krallt' mich fest
Und konnte nicht mehr singen.
Zwergkämpfer
Nur nicht wie Hühner, nein, wie Tänzerinnen
Auf langen Beinen schreiten sie Sonette
Und Madrigale, eine dünne Kette.
Und zittrig ausgefloßne Tuschen spinnen,
Ein Gelb, ein Grau, sich schwachen Scheins von hinnen
Auf winzig feinem fiedrigen Skelette.
Selbst durch das zarte Gackern der Kokette
Und der Aztekenköpfe schmales Sinnen,
Durch das gezackte Stelzen flirrt Bedauern,
Weil ihr Getu Oktoberfröste höhnen:
Daß diese kostbar hingewischten Farben
Im Hof verbleichen statt in goldnen Bauern.
Und daß einst Menschen, blöder Lust zu frönen,
So ihr Geschlecht verzierten und verdarben.
Aquarium
Immer wieder an ein Glas zu stoßen,
Immer wieder sich im Kreis zu drehn,
Statt geschmückt in wunderbaren, großen,
Lebenden Gewässern hinzuwehn.
Immer wieder sich an schalen Happen
Wohlzutun im laulich dumpfen Tang,
Statt mit kleinem, buntem Maul zu schnappen
Grünes Licht und kühlen, frischen Fang.
Immer wieder Härte anzufühlen,
Fahlen Sandes eine dünne Schicht,
Statt dem tiefen Grunde sich zu wühlen
An das braune, wärmende Gesicht.
Immer wieder Strand mit bösen Dingen,
Da das Fischlein krank und kämpfend liegt,
Wenn es heftig, unbedacht im Springen,
Seine karge Heimat überfliegt;
Nur ein rasch gehemmtes Auf und Nieder,
Kurze Blitze, links und rechts geschnellt,
Immer wieder, ach, und immer wieder
Kennt ein Ende diese kleinste Welt!
In den Fernen lagern schwarze Teiche,
Stirbt ein regenbogener Quellenfall,
Führt das weite Strömen seine Leiche
In ein Grab von fliehendem Kristall.
Auch die Fische mögen heimlich träumen,
Was ihr Herz wie Menschenbrust befreit:
Klare blaue Welle und das Schäumen
Süßer Meere der Unendlichkeit.
Mes longs cheveux descendent
Jusqu'au seuil de la tour!
Mes cheveux vous attendent
Tout le long de la tour!
Et tout le long du jour!
Et tout le long du jour!
Maeterlinck.
Ich will mein Haar nicht stümmeln zu kleinen kurzen
Stümpfen,
Nicht kröpfen wie die Kronen der Weiden, der Linden,
Da üppig Blattwerk ringelt an den wunden Rümpfen;
Ich will mein Haar verhalten, es flechten und binden.
Doch wenn Nächte schweben, möchte ich es lösen,
Erlösen zu schwarzen Wolken, die Blitze rot durchbluten,
Braune Sturzäcker reißen aus den Spangen und Ösen,
Es unter Eisenbrücken werfen, blaue Fluten.
Ich lade ihm bunt die Boote mit Hölzern und mit Früchten,
Ich blas' ihm Grauglasfische, leicht im Gefäll zu streifen,
Und streu' die wilden Hühner, die über Schollen flüchten,
Und schmiede Kometen mit flammgewundenen Schweifen.
Ich will das Haar ausgießen auf ein reines Linnen;
Seine Strähnen sollen an die vier Winde rühren,
Als schmale klargefegte, dunklere Pfade rinnen
Zwischen Schneetüchern hin, dich führen und verführen:
Vor klagenden Hungerwölfen wird dich Zauber retten,
Der blasse, feine Ring mit herzgeformter Perle,
An allen Weges Ende auch mein Gesicht entketten
Aus dem begrabenen Brunnen, aus der gefangenen Merle.
Ihren Eisglasbecher stürzt die Nacht,
Der mit dünnem Vogelschrei zerklirrt;
Straße bröckelt, schwarzer Felsenschacht,
Den Getast im Grubenlicht durchirrt.
Schläft ein Garten: Schwere Tannallee,
Efeusorglichkeit an müdem Tor,
Weite Rasen, grenzenlos im Schnee,
Dunkelgrüne Stengel spein empor.
Denn die Knospe, Mohnhaupt von Metall,
Öffnet krampfig zuckend sich dem Frost,
Flocke zischt und stirbt am Blütenfall,
Blau wie Höllglanz, rot wie Blut und Rost.
Letztes Blättlein haftet, mißgestalt,
Purpurzunge, spielend und allein;
Aus des Mundes tiefgeritztem Spalt
Dräut das Lächeln her, versteckt und klein.
Wie ein Kindesschlaf, der traumwärts sinkt,
Neigt die zarte Stirne sich dem Schnee,
Kniet der Schaft, und seine Wurzel trinkt
Gram aus unterirdisch greisem See.
Schweigend bebt die weiße Angst der Trift
Und die Hand, die eine Blume brach,
Und die Traurigkeit, ein sanftes Gift,
Das sie weinend in die Seele stach.
Ich habe dich von Herzen lieb. Du Kind.
Wo bist du ?
Und du stehst auf jenem Felde,
Gebreite sonder Wucherkraut und Melde,
Darin die vierzehn weißen Sterne sind.
Ich habe dich so lieb. Du Kind.
Was tust du ?
Und du lächelst, brockst zum Futter
Den blühnden Wind der schwarzen kleinen Mutter,
Den sieben Küchlein; ach, und eins ist blind.
Die Vögel ziehen
Maulwurfsfarbig, grau,
Nur ein Gezirp, undeutbar süß und samten,
Gehusch, und dunkelblaue Rasen flammten
An silberfeiner, strahlgezackter Klau.
Du säumst.
Sie kriechen in ein Warmes ein,
Das lockt und bittet und die Flügel weitet;
Wenn erst die schwarze Mutter sie umbreitet,
Wird von den weißen Sternen keiner sein.
Tiefer aus den Wäldern steigt
Still der blaue Saal,
An versunknen Wegen schweigt
Stein und Weisermal.
Eines Kindes Beten wallt
Über Dächer fort,
Hingeworfner Tümpel lallt
Schläfrig blödes Wort.
Mit den Wurzelhänden hält
Gras an Gras sich fest,
Noch ein süßes Zwitschern fällt
Aus verklungnem Nest.
Weißer Kelche Blumengeist
Weht im Düster auf;
Ihren dünnen Hauch zerreißt
Roh gezackter Lauf,
Taumelnd schwank, ein Tölpelflug,
Der ins Graun sich bahnt,
Meinem Antlitz Augentrug,
Das den Vogel ahnt,
Meinem Sinnen Rätselspiel
Und die feine Angst:
«Spricht die Antwort nicht zuviel,
Die du doch verlangst ?«
»Hat dies Leben nun gewinkt,
Das dir, spät erwacht,
Zwischen Fell und Flügel sinkt,
Zwischen Tag und Nacht ?«
Meine Jugend wendet leicht
Ihr bekränztes Boot,
Ihrem Ruder unerreicht,
Dunkelt fern der Tod.
Und mein Wesen, halb schon Flug,
Halb noch dumpf Getast,
Zittert um den braunen Bug,
Armer, scheuer Gast,
Der so heimlos, so verwirrt,
Nichts mehr fassen mag,
Zwischen Maus und Vogel irrt,
Zwischen Traum und Tag.
Ein altes Pferd
Wie das Pferd sich unbehilflich bückt
Zu dem niedren Eimer, der da steht,
Wie sein Mund bedachtsam kaut und rückt;
Welke Kiefer malmen ein Gebet.
Unterm Woilach wartet es, betagt
Und geduldig, vor dem leeren Bock,
In der großen Stadt die alte Magd
Und ihr dörflich plumper Wollenrock.
Sinnend starrt es, da man Kaffeetopf,
Da am Bierglas noch der Kutscher schlemmt;
Nur zuweilen schüttelt es den Kopf,
Denn die Welt ist wunderlich und fremd.
Denn die Autos rasen alles tot,
Weisen hupend auf sein armes Kleid,
Doch es nutzt das bißchen Abendbrot
Und das bißchen Ruh. Es hat noch Zeit.
Greiser Rappe zuckelt her und grüßt
Durch ein Nicken, seiner Hufe Schlag,
Und das saure Fronen wird versüßt
Mit Erzählen vom verschollnen Tag.
Seine Nüster schrickt; es lächelt grau:
Aus der Schenkentiefe kroch ein Ton -
Und sein traurig gutes Aug' der Frau,
Müder Mutter schaut nach einem Sohn.
Kindlein Abend hat sich müdgespielt,
Horcht der Stimme, die »Zu Bett!« befiehlt,
Trollt den roten Gummiball nach haus,
Zieht die kleinen bunten Wolken aus.
Schwer zur Stange flattert Hahn und Huhn,
Unterm Schuppen mag nun Harke ruhn,
Raunt dem Spaten, den sie eng umfaßt,
Noch von bösem Gras und Schollenlast.
Wo am Zaun sich Berberitze duckt,
Spierstrauch mit den welken Fingern zuckt,
Über Lattenwerk und morschen Pfahl
Fällt es huschend, schwarzgestreckt und schmal.
Wie es unbeirrbar, ohne Schritt,
In Gestrüpp der wilden Rose glitt,
Schwamm ein Lächeln nieder, sanft und weh,
Bleichendrotes: »Hab' Erbarmen! Geh!«
Buckelnd hockt es: Schratt und Krallentier.
Seine Augen sprinkeln grüne Gier,
Und der Schwanz, nun in Gekraut verwälzt,
Ist wie Raupe häßlich und bepelzt.
Wo nur schauert Seele, hilflos nackt,
Daß die Hölle ausfährt und sie packt ?
Ward der arme Vogel schon bestimmt,
Dem die Katze seine Jungen nimmt ?
Ein Mädchen in den Gassen
Erglüht mit roten Kerzen,
Bringt allen, die sie fassen,
Ein Stück von ihrem Herzen.
O Schrei, herausgerissen,
Ein bittersüß Konfekt!
Und wer nur angebissen,
Der warf es fort; es hat ihm nicht geschmeckt.
Sie sucht die armen Spenden,
Zertreten und zerfahren,
Sie nimmt sich bei den Händen,
Sie zerrt sich an den Haaren
Zum großen Mottenlichte,
Der tausend Männer Ziel.
Mit ihrem Angesichte
Gibt sich die stets Verlorne neu ins Spiel.
Sie bäckt umsonst noch Qualen
In würzig kleine Brote;
Für Lust mag jeder zahlen,
Das Leid verfällt dem Kote.
Da füllt sie Herd und Kasten
Mit Küssen, honigfarb;
Die Schlecker nahn und tasten,
Und keiner weiß, daß sie heut abend starb.
Die in zerfließend weichen Nächten
Sich stärkren Armen bog, ein Traum,
Sie ward geschürft aus schwarzen Schächten,
Ward Götzengott wie Stein und Baum,
Das tote, buntgetuschte Bildnis,
Mit rohem Golde ausgeschmückt,
Das Heilige der Fieberwildnis,
Von tiefem Opferschein umzückt.
Die fliederweiße Kurtisane
Entblößt den Biß am Leib und Sinn
Und gleitet locker mit dem Schwane
Auf blinkend blaue Seide hin
Und trägt die erntereifen Lüste,
Des Fruchtbaumwipfels gelben Glanz
Mit ihrem Lächeln starrer Brüste,
Mit ihrer Schulter Duft und Tanz.
Sie ward in jenes Haus vertrieben,
Das magisch seine Pforte schließt
Dem zarten, unbedachten Lieben,
Der Frühlingsträne, die sich gießt
Und selten aus zersprungnen Wänden,
Ein karges Glitzerwesen, fällt,
Wenn einsam sie in stillen Händen
Das kranke Spinnenäffchen hält.
Sie stützt die Kissen um das Leichte,
Ihr Spielding, das Natur verstieß
Und das den Menschen nicht erreichte,
Da es der Ära Gärten ließ,
Gehöhnt die Arbeitsstirn des Rindes:
Nun Seelchen, das im Dämmer irrt,
Ihr armes Zerrbild eines Kindes,
Das nimmer sie gebären wird.
Wir wohnten fern einander
In Leibern, nicht in Herzen.
Du warst der Alchimist.
Ich war der Salamander.
Ein kleines Ungeheuer,
Ein schwarzes Kielkropftierchen,
Mit goldnem Schlamm besprenkelt,
Zerwand ich mich im Feuer.
Es sprang mit dünnem Schnauben
Um meine feuchten Glieder,
Und daß ich dunkles Eis -
Die Leute mochten's glauben.
Die Leute glauben Mären,
So wahr wie Wirklichkeiten.
Die rote Zunge leckte;
Ich warf ihr meine bitterlichen Zähren.
Sie sank zu dünnem Fächeln,
Das ruhte siech im Herde
Auf mürbem Föhrenholz
Und starb um meine Schwärze als ein Lächeln
Da ließest du das dumpfe,
Das unbeholfne Wesen
In kühlen Herbsttag gleiten.
Es kehrte heim zum Sumpfe.
O Gott. Mein Gott. Warum hast du mich hingelegt
In dieses Netz mit tausend, abertausend Leibern,
Mit Silberkindern, -männern, -weibern,
Hast unsichtbar die Schnüre unter uns bewegt?
Warum, ach, zogst du uns empor in Qual, in Luft ?
Ist sie dir näher, daß wir sie nicht tragen,
Daß wir aufrührerisch mit Schwänzen schlagen
Die mitleidslosen hänfnen Wände unsrer Gruft ?
Und knüpftest du die Maschen also eng,
Daß nur der Ärmste, Kleinste sie durchschlüpfen möge
Und gießt uns aus in würgend schwarze Tröge,
In grauenvollem atemschnappenden Gemeng ?
So haben alle, alle wir geirrt,
Da wir in unserm Drunten dir zu dienen meinten
Und dich zu sehn in Tropfen, die uns Klippen weinten,
Aus Algennest, aus grünen Fäden dich entwirrt ?
Ach, wäre ich dein Mensch! Ich bin dein Tier.
Du gabst mir keine Hände, sie zu falten.
Ich muß dich mit den Kiemendeckeln halten.
Laß nicht dies Messer - Weh! Es reißt dich los aus mir
Mir haben auch Tage Träume geschlungen
Und Nächte Male geschenkt.
Mein Quell ist aus hohen Wäldern entsprungen
Und hat sich hineingesenkt
In ein Bett, zerrissen und hart,
In eine Mulde voll Grau,
Da unter der Klippstirn die Fichte starrt,
Wütig zuckende Brau'.
Nächte gibt es, da reifen Sonnen,
Reifen wie grünblondes Korn;
Wolken, in silbrige Milch zerronnen,
Schüttet schwankendes Horn
In der Täler Granit,
In den sanften Pokal,
Da sich Liebe zu Liebe kniet
Über dem süßesten Mahl.
Dunkler Vogel, schwermütiger Schatten
Der Seele, die sich durch Finsternis härmt,
Die starken, blitzenden Morgen hatten
Mit Helle und Lachen dich breit umlärmt,
Mit zwitscherndem, kicherndem Häuf;
Du aber schlugest doch nicht
Ihren Winden den rauchigen Fittich auf
Und dein Sternenaug' ihrem Licht.
Du Eule, versperrt in den glanzlosen Türmen,
O Schwinge, gefaltet im Stein,
Was bist du, die sonder Hasten und Stürmen
Fährt in den brechenden Tagblick ein,
Was bist du anders als dies:
Sehnsucht, Dämonengestalt,
Die in unser närrisches Huschen stieß,
Wimmerndes Mäuslein umkrallt ?
Der Wal
(K. J. gewidmet)
Du. Dich wollt' ich vom Himmel mir krallen,
Reißen tief in mein Leben hinein;
Tag ist eben zu Splittern zerfallen,
Sonne tröpfelt, nun süßerer Wein.
Ob meiner Hand,
Greisingewand,
Schleiert schon weißer der neblichte Schein.
Du. Du weidest auf kühleren Wiesen,
Schaumglasäckern, Gefilden der Flut,
Hinverwandelt zum schwebenden Riesen,
Der bei den Müttern der Bläue ruht.
Felsen von Eis
Strömen dir leis
Reinere Kissen, ihr silbernes Blut.
Was du empfunden, als Labe, als Beule,
Was du in Helle gedacht und begehrt,
Wirft dir vom Haupte die tanzende Säule
Höher ins Dunkel, das sprudelnde Schwert.
Lilie aus Gischt
Blüht und erlischt:
Seele, von ewigem Wogen verzehrt.
Warst du so stark je, so Stummheit und Rune ?
War je dein Atem so hauchend und groß ?
Stürzt dir mein frevelnder Schrei die Harpune,
Zerrst du durch jagende Qualen dich los ?
Irgendwo weit,
Leicht in der Zeit,
Taumelt ein leeres, gekentertes Floß.
Das war die Trauminsel, eine Schale voll Schnee,
Und riesiger Molchkamm, stand der Bergkette Eis;
Das war eine grünkristallne gefrorene See
Und drüber verwölkter Glasglocke milchiges Weiß.
Es stieg ein hoher Schrei und stob über Meer,
Und als unendlicher Stab floh sein Hall ihm nach;
Er aber selbst war die Spitze, der blitzende Speer,
So fuhr er in Frost, der klirrend erbebte und brach.
Und um meine Stirn schlug harschen Flugwindes Wehn
Und riß mich hin über gläsernen Rachen und Grat,
Das letzte Tier, das Tier vom Polarkreis zu sehn,
Das groß und rein aus der Menschenlosigkeit trat.
Es schien am Himmel, so ragte es über dem Meer,
Und konnte sprechen; aber es gab kein Wort.
Verkrüppelte Arme, hingen die Flügel ihm leer,
Und eine unendliche Einsamkeit stieß von ihm fort.
Es starrte aus Welt, dahin kein Taubengruß reicht,
Kein kreischender Sittichmund, kein rüttelnder Falk;
Ach, meine buntere Erde dünkte mir läppisch und seicht,
Und in diese wärmere Erde her horchte der Alk.
Da sprangen Schüsse, da klatschte blutender Fall,
Da wurden Mütter zerfetzt und Nester geraubt,
Und wieder: ein langes Wimmern schwankte ins All.
Der einsame Vogel warf das tropfende Haupt.
Der Tiger schreitet seine Tagereise
Viel Meilen fort.
Zuweilen gegen Abend nimmt er Speise
Am fremden Ort.
Die Eisenstäbe: alles, was dahinter
Vergeht und säumt,
Ist Schrei und Stich und frostig fahler Winter
Und nur geträumt.
Er gleitet heim: und mußte längst verlernen,
Wie Heimat sprach.
Der Käfig stutzt und wittert sein Entfernen
Und hetzt ihm nach.
Er flackert heller aus dem blinden Schmerze,
Den er nicht nennt,
Nur eine goldne rußgestreifte Kerze,
Die glitzernd sich zu Tode brennt.
Er läuft durch eine große Stadt.
Er kennt sie nicht, sie kennt ihn nicht,
Sie blickt ihn nicht mit Augen an,
Mit Augen seines Herrn.
Er sucht das Haus mit blauer Tür,
Ein kleinres Haus mit rotem Dach;
Das scheint ihm morgens immer nah
Und ist am Abend fern.
Er lebt von Fremdem als ein Dieb,
Gestohlnem Fleisch, erlognem Brot,
Der Abfallstätte eklem Fund,
Von Wassern, zäh und faul.
Und Menschenfüße heißt er »Tritt«,
Und Menschenhände nennt er »Schlag«,
Die hübschen Pinscher grinst er an
Mit bös verzerrtem Maul.
Er kannte einst den Schattenbaum,
Die Hütte drunter, gut und alt,
Und in der Hütte warmes Stroh,
Den vollen irdnen Napf.
Nun schmiert er sich an Kellerwand,
Er friert in schwarzen Höfen fest
Und schleicht durch Bretterlücke ein
Mit tückischem Gestapf.
So irrt er durch die kalte Stadt;
Er liebt sie nicht, sie liebt ihn nicht
Und blickt ihn nicht mit Augen an,
Mit Augen seines Herrn.
Die blaue Tür flog ewig zu,
Das irdne Schüsselchen zerbrach,
Die Schattenwipfel sind verdorrt,
Und nachts glänzt nie ein Stern.
Wie die Sterne heulen, o, wie die Sterne heulen!
Wie sie greulich lachen und murren und ächzen!
Wie sie niederhüpfen von zwölfmal hohen Säulen,
Weil sie nach dem Aas der blutigen Erde lechzen!
Sie sind herabgekommen, sie sind eingeschlichen
In der Hunde Leiber, tückische Sterndämonen;
An ihrer Bosheit ist der glänzende Pelz verblichen,
Doch auf den Spitzohren tanzen blaue Flämmchenkronen.
Wie die Teufel klagen, o, wie die Wüsten klagen!
Ihr giftiges Funkelauge, Gier in ihren Zähnen!
Wie sie plündernd und schändend über Leichen lagen
Mit grauenhaftem Gekicher, in Wollust, Hyänen!
Geht nicht hinaus, ihr Männer, haltet euch stille, Knaben,
Daß sie euch nicht opfern auf ihren Höllaltären
Und ihr einst, entmannt, wenn Monde gewandelt haben,
Brüste der Weiber schleppt und könnet doch nie gebären.
Laßt die Teufel sich balgen um zernagten Knochen,
Über Eselsgerippen häßlich geifern und höhnen!
Morgen sind sie wieder in Nachtgestirne verkrochen,
Wenn eure Herzen preisen, wenn eure Lippen tönen.
Manchmal scheinen sie tot mit versteinten Augen,
Die ein Zauberer sucht, schneidet zu Latwergen,
In roten Mörsern stampft, löst in ätzenden Laugen -
Doch wenn der Fromme sich naht, soll er sein Antlitz bergen
Der Olm verschwimmt in wirrer Grotte
Und lud mich ein,
Im Dämmernden allein mit seinem Gotte
Und mit ihm zu sein.
Diesen Gott kann er nicht sehen;
Denn er ist ja blind.
In Kiemenbüscheln findet er sein Wehen,
Die nelkenfarbig sind.
Er hebt so wunderlich gezackte Mären,
Kehrt sie um und um,
Reicht sie mir und weiß sie nicht zu klären;
Denn er ist ja stumm.
Spülicht ward um den vergossen,
Dem Mund und Auge schweigt,
Doch fühlt er einen größern Leidgenossen,
Der sich zu ihm neigt.
Der Himmeln sein Geschöpf entrissen,
Er ging ihm ein,
Allein in Höhlung mit den Finsternissen
Und mit ihm zu sein.
Der Olm verhuscht in dumpfer Grotte,
Die zaubrisch klar
Und jäh erschimmernd stand von seinem Gotte,
Der meiner war.
So will ich liegen - da die Hand mir schweigt,
Da sich die volle Schale zu mir neigt,
Ein einz'ger Tropfen aus der Schale fällt,
Doch mit dem Tropfen die gekrönte Welt
Der Stille.
Es schwillt, es bildet sich und nimmt Gestalt.
Das Auge leuchtet tausend Jahre alt,
Und nun ihm brauner Fetzenflügel wächst,
Der Glanzschweif sich um Sternenespe hext,
Erkenn' ich's.
Schon kriecht es duckig, erzgeschuppt die Haut,
Den Klumpfuß meinem Teppich eingeklaut;
Aus seiner Pferdenüster, rundgebläht,
Tanzt Flammensense auf, die Träume mäht
In Schwaden.
Mit seinem Maule zückt es manches Wort,
Und wenn es redet, heb' den Kopf ich fort;
Denn was es weiß, ist alles seltsam wahr,
Ist, wie der Mond von totem Froste, klar
Und scheinend.
»Sie haben aus den Höhlen mich gebannt,
Sie haben mit den Büchern mich verbrannt,
In finstren Napf gestellt ihr weißes Licht;
Es steigt an meiner Glut und will mich nicht
Erschlagen.«
»Und bin ich dienstbar nicht wie Stuhl und Tisch
Und minder selbst als Fittichtier und Fisch,
Doch bin ich Kap, daran dein Schoner birst
Und das du leugnest, bis du scheitern wirst
In Stürmen.«
»Du nennst die Inseln: Tod, Unsterblichkeit.
Hörst du das Leben, das aus Steinen schreit ?
Siehst du die Zuckungen des Staubgesichts ?
Du glaubst: Hier Gottes Himmel - dort das Nichts.
Ich bin ein Drittes.«
Ich schleudre aus dem Nacken
Gezeit- und Erdenjoch,
Es sprühn die goldnen Zacken
Vom finstren Panzer noch
Aus Kessels Sang und Sieden
In wunderlichen Schmieden,
Die zwischen Kampf und Frieden
Wie zwischen Rüstern stehn.
Das Märchen ist verworfen,
Das mich dem Tag geschenkt;
Ich leb' mit roten Orfen
Den Wassern eingesenkt,
Brach einst die Rabenhorste
Aus hartgekrampftem Forste
Und ritt auf Wildsauborste
In Sumpf und Dickicht ein.
Der Bannwald ward zersplissen,
Zu mürbem Schutt gekämmt,
Die Kette mir zerrissen,
Die Krone fortgeschlämmt;
Sie funkelt schön in Nächten
Ob allen Weibes Flechten,
Von silbergrünen Hechten
Dem Ufer zugeschwemmt.
Wo sind Namen, die ich gewußt ?
Aufschrei hat sie zerrissen.
Einer segelt durch die Brust
Mit meinem grauen Gewissen,
Schwankt auf meinem schweren Sinn,
In sein Licht gestiegen:
Fahre, König, fahre hin,
Laß die Krone liegen!
Die Krone krallt den Grundschlamm fest,
Wurzelt, eine Rüster.
Brachsen funkeln durchs Geäst
In ein altes Düster,
Welse stürzen vom Geäst
Nach beschupptem Raube,
Und der Stichling baut sein Nest
Im getriebenen Laube.
Gleite, König, gleite stromab,
Laß die Flosser sich haschen!
Ich werfe Netze über mein Grab,
Netze ohne Maschen.
Ich will dich fangen als einen Fisch,
Fisch der Sonnenröten;
Schlürfen sollst du Gewell und Gezisch
Mit den Feuerkröten.
Ich hebe dir ein Königreich
Über Schlämmgoldkörner.
Deine Haare wehen Laich,
Spülen Schneckenhörner.
Meine Tiefe spaltet ein Stein,
Den Fäuste hinverstießen.
Da will ich dich setzen, dich allein,
Und die Wasser über dir schließen.
O ein Schwan!
Groß erblüht und lose.
Warf aus dem Schilfwald ihn Pan
Als eine weiße Rose ?
Zweifle nicht!
Über müde Welle
Fährt ein unirdisch Licht,
Deckt er Mutterhelle.
Reiner sinnt
Dies Gesicht die Fluten.
Mohnmilch rieselt, verrinnt,
Wo seine Flügel ruhten.
Bild der Frau,
Singt er tiefstes Neigen,
Aus dem glaskühlen Tau
Läutet das süße Schweigen.
Kelch von Flaum,
Schutzlos, weit erschlossen,
Hat er Klang und den Traum
Bald in Abend vergossen.
Schwebend zieht,
Goldenem Grau gewendet,
Er ein Lied,
Das in Wehmut endet.
Sanftrer Tag, mit Frucht beladen,
Brot in Garben, Schmerz und Dank,
Allem, was von wirren Pfaden
In den goldnen Tragkorb sank:
Um Geäst die Sichel schlagend,
Mann und Schnitter, schreitest du,
Köstlich schwere Bürde tragend,
Dunkelblauen Häusern zu.
Weißes Tuchgewölk weht lose,
Lockrer Zipfel wirft das Band;
Bunter Apfel, rote Rose
Tanzen über Korbes Rand
In Gemäuer, in Gerumpel,
In die waldverwachsne Bucht,
Schweben auf gesunknem Tümpel,
Gelbe Rose, bunte Frucht.
Knackt und schaudert Erlendichte ?
Schmatzt und schülpt der fette Schlamm
Dunstentwundnem Spukgesichte
Schwillt ein weiter Bergeskamm;
Schwarz gerißne Felsenflanke -
Ohne Schrei und ohne Sprung
Wie ein mächtiger Gedanke
Tritt es in die Dämmerung.
Mit behenden Füßen stampfend
Wider zottigen Morast,
Steil geworfnen Zahns umkrampfend
Müder Stunde letzten Glast,
- Der nicht Safran mehr und Ziegel -
Fällt es in das irre Licht,
In der Suhle trüben Spiegel,
Den sein Untergang zerbricht.
Tropfen, Wellen, kleine Meute
Schnellt am borst'gen Rist empor;
Klaglos fängt die dumpfe Beute
Sich in Gräsergarn und Moor,
Steht das Rüsselhaupt mit Hauern
Überm Sumpfmund, der es zieht,
Wie ein großes finstres Trauern,
Das sich heim in Erde kniet.
In mir ist die Unrast, schleicht und hockt,
Nistet an zerfallner Wünsche Statt,
Ist kein Engel, flügelflammig, blondgelockt,
Ist, was die Gestalt der kleinen Kröte hat.
So viele goldene Bienen, stachellos,
Gehn in sie ein. Ich tränke sie mit Saft
Ewiger Blume, schwefelgelb und groß;
Sie nippt den Tauwein meiner Leidenschaft.
Ihrer Augen trauriges Geleucht
Wiegt todverwunschene Sterne noch, ein Weib.
Nackt ist sie wie ein Kindlein und so feucht,
Als strömte stumm ein einzig Weinen dieser Leib.
Unterm vollen Mond, in Dunstnacht klimmt
Sie mühsam am Gerank des Geißblatts auf,
Das einen Mauervorsprung in die blühnden Arme
Und atmet tief das kühle Wispern und Getrauf:
Wie sie dann die armen Hände stemmt,
Sich die Kehle bläht und wieder fällt,
Sinkt eine Schönheit, unerfaßlich, fremd,
Und ihre Kreise schlagen an die Welt.
Zank, Verdruß, geringe blasse Not
Treibt wie Sperling um, geschwätzig zahm;
Im Krötenkopfe aber starrt karfunkelrot,
Ein Feuer und ein Stein, der schwere Gram,
Der schwillt, verflüchtet, über Wiesen schwelt
Und all die Lichtnelken mit Tränen sprengt,
Den dumpfen Weidenpfuhl mit Glanz beseelt
Und vor dem Munde stirbt, der einen anderen sengt.
Ihre Leiber standen in den Abendschatten licht.
Schmal und hoch, von schimmerloser Bleiche:
Blütenzweig, den Lieb' für Liebe bricht,
Windgewiegt und taugeküßt am Teiche.
Stern um Stern kroch übers Dach sie anzusehn,
Und die Schar der zarten Wolkenlämmer
Flockte zögernder in lindem Wehn:
Ihre Leiber standen licht im Dämmer.
War das Eine kurzen Weg hinabgeeilt,
Rief's das Andre um mit stillem Schauen;
Feiner Falterflügel, zwiegeteilt,
Schleierblaß, verwuchsen sie im Grauen.
Leise, wie ein Stückchen leichter Tag,
Sind sie dann in Nacht und Gras gegangen. -
Und die braunen Hasen im Verschlag
Äugten wundernd durch die Gitterstangen.
Hinter Malven brütet schwarz die Kiefer,
Wiegt sich Birkenhaupt mit sanftem Knarren.
Hölzchen splittert, Kienfrucht, Kalk und Schiefer,
Wo die Zinkenfüße wirbelnd scharren.
Mutter lockt auf grasverwebten Pfaden
Ihre Kleinen zu Ligusterhecken,
Läßt sie wohlig ducken, spritzen, baden
In dem flachen grauen Streusandbecken.
Schwere rote Rhodeländerinnen
Führen einen hübschen Hahn spazieren,
Schreiten tief bedächtig, stehn und sinnen,
Weisen Melde ihm und Vogelmieren,
Picken Täschelkraut und Küchenschelle,
Warnen vor dem winzig bunten Kahne,
Vor dem Entchen auf verschlammter Welle,
Das wie Kaffee braun und weiß wie Sahne.
In Mahoniedickicht ziehn und lehren
Weise bronzegoldne Wyandotten
Körnersuche, Ernte süßer Beeren,
Klugen Fang von Käferwild und Motten.
Zwergenritter, die im Busche lagen,
Rosenkämmig, streiten um die Beute;
Ihre Frauen, Klageweiber, tragen
Schwarzen Fittich schleppend durchs Gekraute.
Wallend birgt der falbe Rispenschleier,
Der von Hügelstirn herab sich windet,
Heimlichkeiten: seltne Ostereier,
Fein und weiß, die nie ein Kindlein findet.
Ich will den Tag verbringen in den Feldern,
Will lächerlich wie jene Scheuche stehn;
Die großen Vögel möchten aus den Wäldern
Auch so auf mein Gewand herniederwehn,
Um Schultern krallen, flüstern in mein Ohr
Aus Mären, die im grünen Buch sie lasen,
Von Hugin und von Munin, Tyr und Thor,
Von Yggdrasill, dem Weltenbaum der Asen,
Und von der Väter Dienstwerk beim Adepten,
Des Roten Leuen Sud, dem Blumengift,
Der Mauerspalte, drein sie bergend schleppten
Des siechen Herrn geheim erfundne Schrift,
Und anderes Gewinde, blumig kraus,
Altfränkisch duftend wie Levkojenblüten,
Was ihnen Nachtrab schrieb und Fledermaus
Und was sie selbst in klugen Häuptlein hüten.
Doch manche würden gleich die Scholle hacken
Um meine Füße, die zum Kosten lädt
So wie ein Würzbrot, feucht und frisch vom Backen,
Bereitet mit dem blanken Feldgerät,
An weißen Mandeln und dem Zitronat,
An Engerlingen sich und Würmern letzen,
Der Süße endlich satt zu Rast und Rat
Und schweigend sich auf meine Hände setzen.
Und einmal schlügen Schwärme, Riesenwehe,
Den wilden Flug aus Mitternacht mir nah
Mit harten Liedern, die nur ich verstehe,
In ihrem scharfen, ungefügen Krah,
Mit unheilvollem Braus im düstren Kleid
Und mit erzürntem, drohendem Bewegen;
So fielen sie in gotteslose Zeit
Und auf die Länder als ein schwarzer Regen,
Die Welt verstummte. Bis der Weiler stöhnte.
Und weithin klagte heulend eine Stadt
Zerfreßnes Auge, das den Vater höhnte
Und seiner Mutter Herz verstoßen hat.
O Krug, o Hafen, wer nur stürzte euch um ?
Ich kehrte mich zu euch in einer jungen Nacht
Und spürte die fernen Hände, lieblich und stumm,
Die Wein aus Himmeln, Erde zu Brot gemacht.
Ich trank und aß und erblickte den roten Strom,
Der zart in mir glomm - als war' ich ein gläsernes Ding -
Und feines Goldstaubkorn mit süßem Arom,
Das durch mein Leben wie durch eine Sanduhr ging.
Und in meiner Mitte, da waren Ufer, war Land,
Da saß es wie Zwergenkind: Wesen, wunderlich klein;
Es grub seine Füße spielend in glitzernden Sand
Und tauchte den Finger sacht in die roten Quellbäche ein.
Ich wollte es küssen und rührte die Haut von Glas,
Die konnte ich nicht zerbrechen, weil selbst ich sie war;
Nun häufte sich Düne, und auf der Düne trieb Gras,
Wuchs hoch und dicht und grau und wucherte in mein Haar.
Es kam eine Taube, rosa und blaugrau, geschwebt
An einem bleichen Himmel. Der Himmel war nackt.
Ihr Schnabel schien mächtig, krumm und vom Blute
verklebt
Der schwachen Gefährtin, der sie die Stirne zerhackt.
Und ich sah, wie es wirklich war, das lächelnde Perlglanz-
kleid,
Ich fand in ihm das Bild von den Tauben der Welt
Und fand aller Tauben Gier und Jähzorn und Neid.
So schwang sich der große Vogel über mein Feld.
Und wo der Halm das verborgene Kind umstrich,
Da zückte er lang sanft schimmernder Schwingen Schlag
Da sank er nieder, anmutig und fürchterlich,
Und es verging ein Blick und es verging ein Tag.
Und es verging ein Jahr. Und ich hob mich auf,
Ich rieb meine Augen, ich wußte kaum, was geschehn,
Erspähte die Inseln, suchte der Flüsse Lauf,
Das Kind, die Taube und konnte nichts mehr verstehn.
Ich war ein Mädchen auch im Traum.
Und meine Brüste lagen, helle Inseln,
Auf jeder eine kleine braune Stadt
Mit spitzem Turm
Und rot geheimer Ströme unterirdnem Rinnseln.
Wann werden weiße Quellen aus den Steinen brechen ?
Die Schlange zuckte Ungesehn durch Kraut.
Ach, alle Moose, die sie grüßte, Verrotteten.
Ihr Leib ließ eine Wüste.
Baumgrün vergilbte vor der gelben Haut.
Die gelbe Schlange kam.
Sie zog sich über Meer
Und sank in Grund,
Wo seltsam bunt und schwer
Tierblumen an verfallnen Schiffen saugen
Mit zähnelosem Mund.
Sie schlich
In meine roten Grottenflüsse ein.
Sie lächelte.
Die kleine Stadt ward krank,
Zermürbte, wich.
Ihr stolzer Wartturm sank
Tief in ein Weiches ein.
Die Insel, einmal glücklich schön
Mit Hügelkuppe und mit sanfter Bucht
Um vieler Wellen blitzendes Getön,
Hing müd' in See.
Wie überreife, halbvermulschte Frucht.
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