DAS PREUSSISCHE WAPPENBUCH
Inhalt
Ostpreußen
Westpreußen
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Mark Brandenburg
Pommern
Posen
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Sachsen
Schleswig-Holstein
Hannover
Westfalen
Hessen-Nassau
Wappen von Gemünden an der Wohra
Rheinland
zurück zu Gertrud Kolmar Die Gedichte
Ein rotes Elchhaupt auf Silbergrund, aus grünem
Röhricht steigend.
Ich geh' durch Erde, die schon nicht mehr ist;
Denn meine Erde ist nur Teil von mir,
Wie ich mit Schaufel, Haupt und Widerrist
Ein blödes, grauses, ungeschlachtes Tier.
Sie klatscht um meine Kniee als ein Sumpf,
Hängt von der trägen Lippe als ein Schlamm,
Hockt, Nebelschlange, feucht am roten Rumpf,
Schiebt unters Maul den flechtenblassen Stamm.
Ich bin, die war, die ferngestorbne Zeit,
Die wüst im großen Wäldermoor gehaust,
In tiefe Flocken Wölfe hingeschneit,
Mit dunklem Sturm den Uhu hergebraust.
Ich bin das Wilde, Dumpfe, das man schlug,
Das man erschlagen, weil es fremd und stumm;
Was schlau und müde Karren schleppt und Pflug,
Dem legt der Mörder bunten Halsschmuck um.
Mir ward, die ihre Ode klagt und schnarrt,
Die Nacht des Raben freundlich zugesellt,
Die im Geröhre ächzt, in Birken knarrt
Und vor dem Licht der warmen Dörfer hält.
Mir ward ein Regenhimmel, graulich schwer,
Der zäh und stickig niederplumpt ins Luch,
Das Fell am Leib, an meinem Hirn die Wehr,
Nicht Hand noch Peitsche, Stall und Trog und Tuch.
Das tierisch Mächtige hat sie entsetzt,
Das arglos Fromme meuchelt ihre List:
Daß es verende, wund und tot gehetzt,
Die Erdenkindheit. Die doch nicht mehr ist.
In Rot eine silberne Burg mit verschlossenem Tor;
auf dem mittelsten der drei Zinnentürme steht ein
Weib mit gefalteten Händen.
Ich halte die Hände rund gewölbt zu einer Schale,
Daß in sie niederfalle ein Tropfen vom himmlischen Mahle.
Ich habe so lange schon müde und hoffend gewartet,
Wolkenfetzen im Haar, vom Blitz die Wange zerschartet.
Unter mir kreiselt Fahrzeug, Filmvolk und hohe Ziffer,
Über mir steigt und surrt und stürzt der eilende Schiffer.
Menschen schreiben viel Bücher, üben viel Morde;
Springer und Ringer und Redner: die Welt schmaust Rekorde.
Nur das Brot haben goldene Messer sehr ungleich geschnitten;
Ich seh' es vom weißen Turme: ich steh' ja inmitten.
Aber die unten finden mich nicht im Schaffen und Machen,
Und die oben erspähen mich klein, so bittend, und lachen.
Und doch weiß ich: Wenn Jeder den Andern ins Grab zertreten,
Werden über den Gräbern meine Hände stehen und beten.
Im roten Feld eine silberne Gilge (Lilie).
Er schwur. Die Frauen rührten nicht mehr an,
Was scharf gesotten und was süß gebacken.
Die Herren sahn den fremden Edelmann
Ein zartes, zungenschnelles Schwertlein packen.
Ein Handschwung riß des Knechtes Haupt vom Nacken,
Doch nicht ein Tropfen roten Blutes rann.
Das Haupt schlug an die Tafel, da man saß.
Der Gaukler hob es auf mit leichtem Bücken.
Er zog vergilbte Blätter vor und las.
Und dann begann er's an den Rumpf zu drücken;
Der hielt es nicht. Und nimmer wollte glücken,
Wes sich der Wunderbare hoch vermaß.
»Wer hebt den Arm ? Wer wäre so betört
Und träte in des Schlangenträgers Bahnen ?
An diesem Tisch ist einer, der mich stört!«
Er schrie. »Ich darf ihn kennen nicht noch ahnen,
Doch kann ich einmal ihn im guten mahnen:
So mahn' ich denn. Und hoffe, daß er hört!«
Verlornes Wort. Der Täuscher seufzte dumpf.
Und silbern blühte aus der Estrichritze
Die Gilge auf. Er trennte jäh vom Stumpf
Den Kelch mit feinem, stählern blauem Blitze,
Und da er's tat, sank einer tot vom Sitze,
Und redend saß des Knechtes Haupt am Rumpf.
Und immer schwebt die Gilge silbrig fahl.
Und Einer schreckt die Menschheit mit Gesichten
Und Einer warnt die Tafelnden im Saal.
Er wird das vorgefaßte Werk verrichten.
Sein Strahlblitz rückt, die Blume zu vernichten:
Der Schädling fällt. Und weiter rauscht das Mahl.
Ein silbernes Mühlrad auf blauem Grunde.
Das Mühlrad ist von Silber, und von Wachs ist nur das
Schwert,
Und das Schwert zerschmilzt zu Stücken, wenn es in das
Mühlrad fährt.
Das Mühlrad ist von Silber und von Stroh der böse Geist,
Und der Geist zerfliegt in Fetzen, wenn des Mühlrads Zahn
ihn reißt.
Das Mühlrad ist von Silber, und am Golde würgt die Welt,
Doch die Welt zermürbt zu Zunder, wenn das Rad sie nicht
erhält.
Das Mühlrad ist von Silber und ein Schleier, was uns führt,
Doch das Mühlrad stiebt in Splitter, wenn es an den Schleier
rührt.
Silber; ein wilder Mann mit Laubschurz und
Blätterkrone, der zwischen zwei grünen Stauden
auf Rasengrund tritt, ein geschwungenes Schwert
in der rechten Hand, eine Goldlilie in der linken.
Drüben roden sie die Wälder;
Mit den Rodern will ich fechten,
Diesen Gott in meiner Linken,
Dieses Erz in meiner Rechten.
Segen träuft die goldne Blume,
Und sie heiligt meine Waffen;
Denn Gebete bring' ich allem,
Was ich selber nicht erschaffen.
Sieh der Mücke kleines Leben,
Und wie ist es leicht zu töten;
Kannst sie doch aus Lehm nicht kneten,
Kannst sie nicht aus Weide flöten.
Nur zuweilen rüttelt Hunger:
Mürbes Fleisch ist gut zu essen,
Und wie ich den Eber morde,
Werden mich die Wölfe fressen.
Dennoch bleibt mir freund und willig,
Was sich duckt in Busch und Quadern;
Weise Schlange nennt mir Kräuter,
Kröte die metallnen Adern.
Brüder hausen fern in Städten,
Wo sie schlachten, spielen, rauchen.
Da ist vieles, was sie haben,
Und ist wenig, was sie brauchen.
Denn schon mir ward Überreiches:
Spieß und Pfeile, wenn ich jage,
Und ein Weib für meine Nächte
Und ein Kind für meine Tage.
Zu den Wurzeln mag ich fallen
Aus dem Kampfe mit den Rodern:
In der gleichen Erde werden
Einstmals ihre Knochen modern.
In Rot auf blauen Wellen ein silberner Stör mit
goldener Königskrone.
So viel, die scheiden,
Scheiden unversöhnt.
Denn die da leiden,
Werden nie gekrönt,
Denn die da dulden,
Büßen ihren Gott
In Kehrichtmulden,
Scherben, Schmutz und Spott.
Die tiefe Milde
Ist dem Fuß wie Sand,
Nach fliehndem Wilde
Jagt die wildre Hand;
Den kranken Geier
Schließt ein Gitter fest,
Die grauen Reiher
Kehren nicht zum Nest.
Drum laßt uns bitten,
Was wir schnell gekränkt,
Was Beil zerschnitten
Und ein Griff gehenkt;
In Schamverfärben
Sei die Stirn geneigt
Dem armen Sterben,
Das uns dienend schweigt.
Von harscher Flosse
Splittert Königsglanz;
Hinab zur Gosse
Schlägt uns schupp'ger Schwanz.
Mit grellem Hohne
Trifft er uns im Staub:
Ihm heut die Krone,
Morgen uns der Raub!
Der Felle Ächzen,
Gurgelschrei vom Pfuhl,
Ein röchelnd Krächzen
Klagt vor seinem Stuhl;
Der Angel Zerren
Kann er nicht verzeihn - -
Steht auf, ihr Herren,
Bald muß Tischzeit sein.
In Grün ein eckiger goldener Tisch.
Schüsseln werden hin und her geschoben,
Becher werden her und hin gereicht;
Schwer ist Steingut, Porzellan ist leicht,
Blechgerät liegt unten, Silber oben.
Diese nippen Wein und bröckeln Kuchen,
Andre tauchen in die Milch ihr Brot;
Aber jene leiden tiefe Not,
Die im abgegeßnen Napf noch suchen.
Manchen hat ein würz'ger Duft bestochen,
Daß er harrend schwört: »Beim nächsten Gang - «
Ach, den Braten ist der Weg zu lang,
Und er stiehlt dem Hunde bloß die Knochen.
Kommt die Stunde, Magd, die Rang und Sitte
Unsres Tisches lächelnd überspringt,
Die zuerst dem hungrig Armen bringt
Sahnenreis und süße Apfelschnitte ?
Hoffet, daß sie alle blinden Messer,
Alle krummen Gabeln putzt und biegt,
Daß ein zarter weißer Kringel liegt
Und ein Silberstück vor jedem Esser.
Aller Lippe wird der Krug gehoben,
Keine, die nur bittres Kraut verzehrt;
Jeder Gast ist den Bedienern wert,
Und es wird kein Unten sein noch Oben.
Im Blau die goldene Sonne, die in hebräischer
Schrift den Gottesnamen trägt, darunter, aus
silbernen Wolken dringend, ein nackter Arm mit
aufwärtsgehaltenem Schwerte.
Ihr seid gut! In guten Müttern geworden!
Weil euch die Bosheit als Närrin und Fremde mißfällt.
Eure geraden Messer können wohl töten, nicht morden;
Jeder fühlt, daß er ein Mann, keiner weiß, daß er ein Held.
Und Gott erschuf eurem Geburtstag die Welt.
Ihr seid. Und wäret. Des Großen Nachfolge ist euer.
Euch rief in Aufruhr des Juda Makkabi Schrei,
Mohammeds Schwert schwänget ihr und faßtet sein Feuer,
Als sie Thermopylä festhielten, wart ihr dabei
Und überlegtet zuweilen nur nächtlich am Steuer,
Ob nicht ein Tor euer Führer Columbus sei.
Ihr steigt sonder Furcht, sonder Mut - weil's Pflicht - in der
Düsternis Rachen,
Blickt fröhlich mit Waldvögeln in den beginnenden Tag.
Das Hohe findet ihr nicht, doch könnt ihr die Wohnung ihm
machen,
Den Herdstein ihm bringen, der nutzlos am Wege lag,
Und, wie's euch befohlen, getreulich stellen die Wachen
Um seine arme Wiege, seinen prunkenden Sarkophag.
Den Staat habt ihr aufgetürmt, Heime werdet ihr bauen,
Drin Polsterschwüle nicht schwächt noch Kerker-
umklammrung euch beugt,
Und werdet eine bewahren der stillen und freundlichen
Frauen,
Fern und traut, wie der Baum, der euch raunt, das Wild,
das euch äugt.
Ihr möget sie nie verstehn, nicht kennen, doch lächelnd sie
schauen,
Die Liebe zur Lust euch bereitet und die gebiert, wo ihr
zeugt.
Einst sind immer die Kinder. Rings wuchern Gaukler und
Fratzen,
Wichte und Krüppel, Wust, der verwesend den Samen
streut;
Sie aber wachsen mit eurem Munde, der schweigt und
spricht ohne Schwatzen,
Der ohne Zuckungen leidet und ohne Grinsen sich freut,
Sie aber ruhn schützend vor Tempeln, Tiere mit steinernen
Tatzen,
Tempeln, darin das gewaltige Feuer sich ewig erneut.
In Schwarz ein feuerspeiender silberner Lindwurm.
Ich habe es empfangen,
Dies mein Kind.
Ich will es warten und pflegen.
An meine Brüste will ich es legen,
Da Pfirsichbäume sind,
Die knospen.
Es haucht Glut aus seinem Munde.
Das schreckt mich nicht.
Was meine silberne Härte sprengte ?
Flammenzunge, die mich versengte,
An meinen Lippen dicht, ganz dicht.
Ganz dicht.
Krallen zückt es.
Wo aber auf jeden Schritt
Schwirrt nicht der Griff des Grauns, der Untreuen und
Qualen,
Sammeln nicht Mütter ihr Blut in Schalen
Und speisen Kinder damit,
Immer wieder ?
Sein Schweif wird geheime Schätze umringeln.
O, wie jauchztet ihr laut,
Hüteten eure Erben
Edlen Hort, nicht Schund nur und Scherben.
Sie brüllten als Stiere, käuen nun, Ochsen, Kraut
In Herden.
Schon zeigt es blitzende Zähne. Fürchtet ihr,
Daß es mir eines Tages vergilt ?
Über die klugen Bedenken!
Ich liebe es; ihr dürft es nicht kränken.
Es ist machtvoll, heiß und wie mein Herz so wild.
Mehr braucht es nicht.
Auf silbernem Grunde ein rotes Hirschgeweih;
auf dem Stirnbein steht zwischen den Stangen ein
blaugekleidetes Kind, das einen goldenen Ball in
der Rechten emporhebt.
Sie haben den Hirsch geschossen.
Da ward ich blind,
Sah zwischen brennroten Sprossen
Mein liebes Kind,
Mein eigenes Kind,
Das die große Welt,
Funkelnde Kugel,
In Händen hält.
Aus den verwundeten Stangen
Blutete Licht.
Ich bin ihnen nachgegangen
Und fand sie nicht.
Meine Freuden hätte ich gern
Über sie hingestreift,
Daß sie nicht wehetun,
Wenn mein Kind sie greift.
Aller Dinge Mächte
Bröckeln schon;
Das Buch verbrennen Knechte,
Zerhaun den Thron.
Ohne Schatten wächst
Der hörnerne Baum,
Hat nicht Reich noch Recht,
Ist Erdenflaum.
Ihr aber habt ihn geschlagen
Mit Wicht und Schratt,
Der mir das Kind getragen,
Ein blaues Blatt.
Wer lud euer Rohr,
Hat den Stahl geschärft,
Will, daß ihr dies Waldtier
Der Mutter ins Antlitz werft ?
Auch ich mag tosen und schreien,
Wo Märkte sind;
Ist da dein Verzeihen,
Du liebes Kind ?
Mein liebes Kind.
Was wird Werk und Welt,
Wenn aus deinen Händen
Der goldene Himmel fällt ?
Silber; ein Mädchen im blauen Kleide, aus
grünem Dreiberg wächst neben ihr ein Strauch
mit roten Rosen.
Du Lampenliebe. Bittres Licht,
Wenn alle Fenster dicht verschlossen,
Im Bettlerkittel, abgenützt, verschossen,
Von seinen greisen Haaren Winter spricht,
Wenn hartes, schimmelgrünes Brot zerbricht,
Wer es zu keinem rechten Mahl genossen.
Dich such' ich nicht.
O Sterne unsrer Nacht, die noch in Tage blinken!
O silberweiße Milch, die von den Sternen rinnt!
Die deine Lippe schöpft, die meine Brauen trinken
Aus jenem Frühpokal, den Tauglas für mich spinnt.
Den Grossen Wagen ließ ich nicht am Rausch zerstürzen,
Ich krauste mütterlich des Kleinen Bären Vließ.
Nun werd' ich Scheibe noch, und ihre Wacht zu kürzen,
Wirft Sonne mir den Pfeil und schleudert ihren Spieß.
Schon bin ich heiß durchbohrt: o hunderterste Wunde,
Ein Rosenstrauch wallt auf, wo du den Rasen gießt,
Und lächelt meiner Qual, bis unter glühem Munde
Dein Samenkelch sich sanft wie müdes Auge schließt.
Ein Abend netzt den Rain. Wir tragen Königskerzen
Und sammeln Drosselschlag, bis unser Korb zerbricht.
Der Himmel wölkt sich ein. Wir zünden beide Herzen
Und gehen unsern Weg, vertrauend ihrem Licht.
WESTPREUSSEN
Auf schwarzem Grund eine goldene Krone, unter
der Krone drei silberne Sterne und unter den
Sternen ein silberner Sichelmond.
In schwarzem Laube schwellen die Gestirne.
Erst wenn sie faulen, stürzt der Himmel ein.
Dann schmilzt der Mond vor Quittenfrucht und Birne
Und mischt dem Frühtau seinen blassen Wein.
Auf öden Feldern wachsen noch Dämonen.
Die Tote jagen, reiten nachts den Wind,
Und andre ziehn aus Sümpfen ihre Kronen,
Die triefend schwer von Schleim und Schnecken sind.
Die Echse weint. Aus ihren Kinderblicken
Tropft goldengrün ein glänzender Smaragd,
Zersprüht im Moos mit zaghaft feinem Ticken
Am roten Hexenhaar der jungen Magd:
Sie liegt bei Tieren. Läßt die schmalen Hände
Dem blauen Werwolf, der sie hündisch leckt,
Und lächelt sanft, wenn ihre bleiche Lende
Der Geiermönch mit dunkler Kutte deckt.
Auf Silbergrund eine Jungfrau in blauem Kleide,
die mit jeder Hand ein rotes Rad emporhält.
Es dreht sich meines rechten Rades Nabe.
Wenn Tag und Kleider ich gelassen habe,
Aus Sternennebeln tritt ein kleiner Knabe.
Er müht sich strauchelnd durch der Betten Wust
Und setzt den nackten Fuß auf meine Brust,
Die reinen Füße auf ein weißes Kissen.
Er steht ob meinem Leben ohne Wissen
Und schaut und lächelt: wie mein Haar zerzaust,
Ein Qualschrei keuchend ringt mit meiner Faust,
Viel winz'ge Ängste fest mein Herz umkrallen,
Daß es nicht klopfen möge und er fallen.
Dann treibt er fort. Und Schwärze hockt, ein Rabe.
Es dreht sich meines linken Rades Nabe.
Ich träumte lebend, träume nun im Grabe.
BRANDENBURG
In Silber, aufgerichtet, ein schwarzer Bär.
Die Bärin spricht: Ich habe sie getragen,
Die Stadt in meinem Schoße, Höhlenbrut.
Uns kam der Jäger, und ich mußt' ihn schlagen.
Ihr Schlaf in dickverschneiten Wäldertagen
War gut.
Ich wiegte sie mit diesem tiefen Brummen;
Mein Tatzenschlag hieß sanft, doch ernst sie stehn.
Ich lehrte Honigwachs, wo Bienen summen,
Und süßes Kraut in erdgeformten Kummen
Sie sehn.
Den Klotz, die mörderische Eisenklemme,
Den Grubentrug - denn Menschenlist ist viel -
Verklagt' ich ihr. Und zeigte braune Schwämme,
Gab graue Kiesel ihr und Kiefernstämme
Zum Spiel.
So wuchs sie auf und fand das Nest der Bienen;
Nun häuft sie übermütig bunten Stein,
Und ihre Pranke scherzt mit blanken Schienen,
Läßt, klein und trüb, Insekten fliehn auf ihnen
Und fängt sie ein.
Sie dreht und lockt. Die Forste hallen wider.
Das Singen unterm Bauerndach verstummt.
Sie tappt ins Dorf. Das Buschwerk stampft sie nieder
Den weißen Spierstrauch und den blauen Flieder,
Und brummt.
Ich schreite aufrecht. Meine Branten wälzen
Den Wolkenblock, der überm Haupt ihr kracht.
Und silbern eisige Gestirne schmelzen
Als große Flocken mir auf schwarzen Pelzen
In Winternacht.
Vor rotem Grunde auf grünem Boden eine silberne
Burg, in deren Torgewölb eine rote Steigleiter steht.
Hast du immer deine Kammer,
Hast du immer Roggenbrot,
Dies ist reichlich und ist Jammer,
Das ist alles und ist Not.
Hör' den Gang in Enge tappen
Wie des Maulwurfs dumpfen Kreis,
Gierig Scharren, böses Schnappen,
Geilen Scherz und schalen Preis.
Wähle Maße, sinn' auf Farbe,
Deine stillsten Stunden brich,
Leg' sie sacht in alte Narbe,
Nimm den Strauß, besuche dich.
Und sogleich die Tür verriegelt
Fremder Hilfe, Nachbars Beil!
Deine Axt, was Sonnrot spiegelt,
Und die Spinne schenkt ihr Seil.
Nun zum Hobeln, nun ans Hämmern;
Herzensschlag und Traum genügt,
Und du siehst dem langen Dämmern
Bunte Sprossen eingefügt.
Mondnacht rät dir, müh' dich weiter.
Ruft der Kuckuck siebenmal,
Hebst du schon die Purpurleiter
An den hellsten Morgenstrahl.
Auf blauem Grunde ein goldener Schlüssel
zwischen zwei silbernen Fischen.
Ein halbgetrunkner Becher
Bleibt immer wartend in mir stehn,
Ein buntbemalter Fächer
Scheint händenah mir fortzuwehn,
Ein dumpfer Gegenschimmer
Verrät der Sonne Untergang;
Im Traum klagt ein Gewimmer,
Ich hör' es und bin bang.
Die Tiefe und der Himmel
Sind vor mir wunderlich gepaart;
Ins Lichte führt kein Schimmel,
Kein Rapp ins Finstre meine Fahrt.
Der Raupe ekle Weiche
Ist zarter Falter Kind und Ahn,
Das Sternenaug' der Schleiche
Kriecht mit ihr Staubesbahn.
Mir sang ein Kranz von Lichtern
Und ward in meinen Tränen stumm,
Mit müden Wachsgesichtern
Stehn bleiche Kerzen ringsherum.
O daß mein Herz verstünde
Auch Flammenlieds verklungnen Schein!
Und wenn ich neu ihn zünde - ?
Die Fackel ist nicht mein.
Ein Brunn ist hinter Türen,
Darin ein silbern Fischlein tanzt,
Das spielend du berühren
Und das du nimmer halten kannst.
Gestürzt aus meiner Schüssel
Ist Tropfenfrische, Silberlicht;
Ich sah am Grund den Schlüssel
Und faßt' ihn nicht.
MARK BRANDENBURG
Auf Silbergrund eine nackte, gekrönte,
goldhaarige Jungfrau zwischen zwei grünen
Tannen, die sie mit Händen hält.
Manche verhüllen sich mit Mänteln tropfenblau,
Andere entdecken sich aus Tüchern feuerrot;
Rinnen die blauen über mich, bin ich tot,
Lohen die roten von mir, werde ich Frau.
Und ich warte.
Meine Füße gehn nackt und so rasch durch Tannadeln und
Moos,
Daß ein finsteres Schwein in den kleinen Augen erschrickt,
Daß die Rehmutter zittert, die mich am Mittag erblickt:
Zehen rollen als zarte, spielende Schlangen sich los
Und züngeln zu Quellen.
Mir schmiedete goldenes Haar eine Unterweltsnacht,
Elben mit Krötenfingern haben die Ringel gefeilt,
Lieblich ist meine Stirn, die Gebreste heilt,
Der Mund eine duftende Frucht, die reift und lacht.
Und die blutet.
Und meine Krone - wer kommt, der sie raubt ? -
Und meine Krone wird von Nattersteinen begleißt.
Ich küsse die harte Hand, die sie niederreißt,
Daß eine schönere neue mir baue ums Haupt
Buntes Gemäuer.
Am Abend, wenn die jungen Männer in Dörfer gehn,
Stehe ich an der Waldschneise, schreie wie Häher, schweig'.
Sie wandern zu Mädchen. Bisweilen kehrt einer unters
Gezweig,
Sehr verwunderten, glänzenden Auges mich anzusehn. -
Und zu bleiben.
Ein blauer Karpfen auf silbernem Grunde.
Komm, guter Fisch, wir sind die Kinder der Stadt,
Herren ihrer Gebreite und Wasserflur.
Erntestunden sind heut, wir schaffen dich froh und satt;
Gestern in unserem Kahne fischt' Hunger nur.
Nährende Speise wird über die Wellen gestreut,
Körner, goldengelb, schmackhafter Essenrauch,
Saftiges Ziegeldach, Amtshaus und Schulgebäud'
Und eine Uhr mit glänzenden Zeigern auch.
Straßen wie Würmer werfen wir auf den Silberstrich
Den du in Fluten zeichnest, lebendes Boot.
Angelschnüre zerfetzten büßend im Krautwerk sich.
Nimm und segne, da du es nimmst, das Brot.
Schwarzbrot, von Kraft geknetet, Weißbrot aus Markt und
Damm:
Schenken dir's unsere Hände, werden wir satt.
Grab' dich in Sonnenhaare, stahlblauer Flossenkamm -
Komm, lieber Fisch, wir bitten, Kinder der Stadt.
Auf Goldgrund, den brandenburgischen Adlerschild
schirmend, ein großer blaugewandeter Engel.
In Sünden ward ich beschworen,
In Schmerzen ward ich geboren,
Schrei hat meine Schwinge gehoben
Und Träne mein Kleid gewoben.
Weh mir!
Aus Blumen ward ich getrieben,
Die harten Steine zu lieben.
Mein Brot lag in blanken Schwaden;
Nun dorrt es im staubigen Laden.
In Gassen ward ich geschlossen,
Mein Saum mit Spülicht begossen;
Aus Löchern brodelnder Schatten
Trug ich auf Händen die Ratten.
Im Hohne hat mich gefroren,
Dem Beten ging ich verloren;
Ich sank vor modernde Betten:
»O Liebe, kannst du mich retten?«
Weh mir!
Im Blau eine große goldene Strahlensonne mit
menschlichem Antlitz.
Sonne steht am Fensterhang und spricht:
»Warum leiht ihr mir ein Angesicht ?
Wärme bin ich, bin das Liebeslicht,
Eure schwachen Züge hab' ich nicht.
Schütt' ich in den Frühling meinen Brand,
Lodert euer kärglicher Verstand;
Weisheit schreib' ich auf die Spittelwand,
Und mich irret keine Menschenhand.
Straßen tun dem Erdenleib Gewalt,
Staudamm gibt dem Wasser Ungestalt,
Feldluft wird in euren Kerkern alt;
Schaut mich an: ich werde doch nicht kalt.
Ohne Lippen hab' ich Laut genug,
Ohne Fittich kenn' ich höchsten Flug;
Schließt mich nicht in euren Maskenzug
Mit der Larve, die ich niemals trug!«
Die da zögerten, als Sonne sprach,
Die sie hörten, denken lange nach.
Wie sie zürnend aufblinkt ob der Schmach!
Wird sie ahnden, was ein Kind verbrach ?
»Wenig hab' ich, aber alles hier,
Kreisel und ein hölzern kleines Tier.
Meiner Mutter Antlitz schenk' ich dir,
Liebe Sonne, willst du mehr von mir ? «
Eine Mutter redet in den Wind:
»Wissen wollt' ich dich und wurde blind,
Und so mal' ich, was ich niemals find',
Warm und gut und lieblich. Wie mein Kind.«
Auf Silbergrund eine rote golden besamte Rose.
Ward je in Wälderbergen
Ein Herz mit Glut und Erz bedrängt,
Von kunstverstrickten Zwergen
Zur Form der Rose umgezwängt,
So kann auch keiner dämmen
Den Blutquell, der im Kelch ihr kocht,
Den goldnen Klöppel hemmen,
Der unerschöpften Herzschlag pocht.
Dies Zeichen ward beschieden,
Uns immer klagend anzusehn,
Auf unsre falben Frieden
Die roten Tropfen herzuwehn,
In unsre lauen Zonen
Zu springen mit dem heißen Schlag,
An unserm Haus zu wohnen
Und mitzuleiden unsern Tag.
Erwünschten Götzenbildern
Wird Kleid und Jagdzeug umgehängt,
Für uns im Forst zu wildern,
Darin man Qual und Reue fängt,
Und haben einst in Nöten
Wir ihre Scham geschaut, entblößt,
So werden sie uns töten,
Wenn nicht dein stummes Wort uns löst.
Du hast den Schmerzensglauben
Der hoffenden Gerechtigkeit.
Du Mutter aller Schrauben,
Die Gott dem stolzen Triebwerk leiht;
Sie drehn sich irr im Kreise
Und wissen gar nichts, was sie hält,
Und stehen still, wenn leise
Dein Herz auf ihre Häupter fällt.
Silber; auf schilf bestandenem Wasser ein roter
Kahn, darin ein Fischer in blauer Tracht sein
Netz aufzieht.
Sonne rudert westwärts still,
Erdbeerfarbner Schwan.
Weil ich Stille fischen will,
Folg' ich meinem Kahn.
Östlich steigt ein kleines Leid
Aus verwaschnem Grau,
Schwindend wie das Sommerkleid
Längst verwölkter Frau.
Teichfrosch quengelt, lacht und gluckt
Fleißig und verstimmt,
Bis ihn Grund und Schlammgrün schluckt
Und sein Kreis verschwimmt.
Tagestrübnis, Ungemach:
Was da übrigbleibt,
Ist ein leeres Schneckendach,
Das die Welle treibt.
Schwebt verirrter Goldpirol,
Schwirrt der Sichelmond?:
»Liegt die Masche schlaff und hohl,
Hat der Fang gelohnt.«
»Heb' dein schweres Netz und schau,
Ob du Garnichts ziehst;
Stille ist ein Fisch von Tau,
Den du niemals siehst.«
In Blau eine goldgewandete Frauengestalt, die in
der rechten Hand eine Traube trägt und einen
Apfel in der linken.
O Herz! O Frucht! O Zeit! O Wille!
Wie lieblich seid ihr hergereift!
Wie hat euch Hand der Sommerstille
Mit sonngemaltem Glanz gestreift,
Wie scheint ihr sanft mit gelber Schale
Und flimmert heiß mit blühndem Rot
Und geht geschmückt zum ew'gen Mahle,
Da selbst ihr Speise seid und tot.
Das aber ist, wofür ihr glühtet,
Ihr Hauch und Strahl euch angeschmiegt
Und tief den kleinen Kern behütet,
Der braun und blinkend in euch liegt.
Die Wange, klar von Regenzähren,
Hobt lächelnd ihr dem Lichte nach
Und lauschtet froh der Säfte Gären,
Das süß und singend in euch sprach.
Wohl allem, was nicht siech gefallen,
Schon vor des Pflückers Griff und Schnitt,
Was nicht verdorrt aus Feuerkrallen,
Verfault aus schleim'ger Feuchte glitt,
Was, wenn es Erntehand verschmähte,
Zu jener Scholle legt ein Wind,
Die selber säte, selber mähte
Und immer Mutter war und Kind.
Was singt wie Herz mit roten Saiten,
Erglüht wie Apfels goldne Stirn
Und aufwirft über Jahresbreiten
Den Arbeitstag von Pflug und Hirn,
Das ruht einst müd' im Erdensinnen,
Vom Winterschneesturm ungeweckt,
Und träumt nur weißes, leises Rinnen,
Das liebend seine Spuren deckt.
POMMERN
Auf blauem, sternübersätem Grunde ein
steigender silberner Fisch.
Über die Teiche schreiten unbeschuhte Frauen.
Wie mögen Menschenfrauen über die Wasser gehn ?
Sie tragen lichtgeflochtenes Netzwerk in Händen
Und ragen mächtiger, wenn sie, es aufwärtszusenden,
Geschwungenen Arms auf rinnendem Spiegel stehn.
Denn Fische schweben durch die blauen Gebreite.
Wo flattern Fische auf mit Nachtkauz und Triel ?
Ihre Flossen klingen silbern an, da sie steigen.
Manchmal rasten sie droben auf Ahornzweigen;
Sie jagten den flirrenden Stern im Zenit, bis er niederfiel.
Die silbernen Fische singen über Ländern und Meeren.
Wann finget ihr Fische je, und sie waren nicht stumm ?
Orf und Schmerle schweigen. Sie aber, ohne Namen,
Streuen überallhin ihrer Töne Rieselsamen,
Der die Weltkugel füllt wie blitzendes Bienengesumm.
Eine Stunde sitzt abends bei euch am Fenster.
Wer hat nicht umsonst schon die bleibende Stunde erhofft ?
Und nun kommt sie und teilt die schlichte Kost eurer Tische,
Und sie lehrt euch vielleicht das Lied der singenden Fische.
Ja, sie kommt: einmal. Nicht oft.
Rot; fünf silberne Sterne in senkrechtem Streif
zwischen zwei stehenden goldenen Keulen und
zwei schwarzen Adlerflügeln.
Die goldenen Keulen werken Tag und Nacht.
Sie geben nicht Ruhe: alles wird totgeschlagen.
Der hört den Bumm, der einsam im Düster sitzt,
Und hört das Rollen der ewigen Leichenwagen
Und sieht das Schreien, das an sein Fenster spritzt,
Und fühlt: über alles hin
Gehen
Der Sinn
Und Schwingen
Und die Sterne.
Die goldenen Keulen schaffen wacker am Teig.
Sie stampfen und mampfen die fetten Münzen zum Kuchen;
Ihr kräftiger Lärm in der Steinschüssel dröhnt durch die Welt.
So kläglich verurteilt stirbt Weinen, so strafbar wird Fluchen;
Der Keulen sauberer Fleiß ist, der recht behält.
Und still über alles hin
Gehen
Der Sinn
Und Schwingen
Und die Sterne.
Die goldenen Keulen mühn sich um unsere Lust.
Seht, wie sie behend auf das große Paukenfell hüpfen,
Die munteren Tänzer. Wer schweigend in Dämmerung schaut,
Merkt Rotes, Warmes durch seine Hände schlüpfen,
Das versickert aus der gegerbten Haut -
Und weiß: über alles hin
Gehen
Der Sinn
Und Schwingen
Und die Sterne.
In Silber ein blaues Stadttor zwischen zwei
Zinnentürmen; drüber hin fliegt ein roter Greif,
und im offenen Bogen schwebt eine rote Rose.
Durchgang allem Wesen
Bin ich, blaues Tor.
Will es Ähren lesen,
Schwillt's aus mir hervor,
Will es Beeren pressen,
Rieselt's in mich ein.
Und bin ich Kelter, liebes Kind,
Bist du der rote Wein.
Einfahrt goldnem Samen,
Der am Herzen ruht.
Als die Blüten kamen,
Brach er auf in Blut,
Glomm mit Stamm und Dornen
Und verschmähte mich.
Du bist die glühnde Rose, Kind,
Der Rose Ausgang ich.
Blicklosem Enteilen
Ward ich hingebaut;
Hat auch liebend Weilen
Je mich angeschaut ?
Abendwolke flügelt.
Kralle reicht empor:
Der rote Greif. Kehr' um, mein Kind.
Ich bin das offne Tor.
Ein roter Querbach auf silbernem Grunde.
Ich wüßt' es wohl und weiß es nun nicht mehr.
Ein Märchen blieb: Es kam der Sommer her,
Der junge Sommer; o, wie war er schön!
Bekränzt mit Vogellust und Herdgetön.
Er warf sein grünes Zeug auf Schaft und Dorn
Und ging zum Bade in den roten Born.
Und als er lechzend aufstieg in der Flut,
Da war sein Haar wie Blut, sein Haar die Glut,
Daraus versengt der Starenflügel fiel
Und welkend sank der Weide Schellenspiel.
Es sprang von ihm ein glänzend wilder Schein,
Darin die Blume hielt, bedrückt und klein.
Die Natter kroch um brütendes Geschmeiß
Und wiegte züngelnd durch den Glitzerkreis.
Auf rotem Grunde ein silberner Fischgreif
(Greif, dessen Leib in einem Fischschwanze
endigt).
Alle Bäume haben ästige Kronen,
Alle Brunnen haben tiefen Schacht;
Kann ich nicht in den allertiefsten mehr wohnen,
Flügl' ich phosphorleuchtend auf in Nacht,
Wenn die Tode weiß
Und kristallenes Eis
Zuckerig hart in ihren Kiefern kracht.
Dunstig trägt mein Atem, eine Säule,
Plumpen Mond, der nur eine Scheibe Ton,
Furchtsam dienert in meinen Schatten die Eule,
Türme peitscht meines Flossenschweifs blitzender Hohn.
Unter schwebenden Schnee,
Über taumelnde See
Heben versteinerte Wogenkämme den Thron.
Selber bin ich das kalte silberne Feuer;
Drei Elemente öffnen mir den Palast:
Erde! Ich bin ein Katzenspuk im Gemäuer,
Wasser! Ich bin ein Fisch im gläsernen Glast.
Himmel, in deinem Hirn
Bin ich Gewölk und Gestirn,
Das deine Lüfte in schleifenden Nebeln verpraßt.
Opfre ich mich auf schäumenden Altars Stufe,
Weil Tiere schwach und Menschen zu kümmerlich,
Schleudr' ich in Ewigkeiten schweigende Rufe,
Singen aus Ewigkeiten Welten für mich.
Als ich den Nacken bog,
Bebte Festland und sog
Seine Städte: Nichts ist größer denn ich
Blauer Grund und ein goldener Querbalken.
Überm Haus
Flüstern blaue Falken,
Fledermaus
Hängt an goldenem Balken.
In der Luft
Nebeln gelbe Quellen,
Tulpenduft
Trieft aus Immortellen.
Hexenturm
Hüten eherne Hunde,
Roter Wurm
Zuckt aus schlafendem Munde.
Wiegenfest
Feiert Ungeborenes;
Leben läßt
Nur im Sein Verlorenes.
Todessteif
Lagen Wölf und Bären;
Vogel Greif
Trabt durch Nacht und Mären.
Schmetterling
Ist im Netz ertrunken.
Wer doch fing
Silberkrönige Unken ?
Was ihr wißt,
Seht, ihr mögt es scheuen.
Was nicht ist,
Kann euch einzig freuen.
Glaubt der Maus,
Hegt die blauen Falken.
Euch am Haus
Kling' der goldene Balken!
POSEN
Im Rot zwei schräggekreuzte goldene Schlüssel.
Immer sind wir Blaubarts Frauen;
Immer wohlvermahnt,
Wird der Wahrheit keine trauen,
Die sie zitternd ahnt.
Immer dräut ein leises »Wende!«,
Zögernd schleppt der Schuh,
Und wir heben frevle Hände
Doch der Pforte zu.
Wenn wir erst den Riegel fassen,
Wenn die Spalte klafft,
Können nie den Raub wir lassen,
Den wir heut gerafft,
Nie das rote Becken wieder,
Das die Häupter eint,
Nie die fortgestückten Glieder
Und das Herz, das weint.
Diese graungefüllte Schüssel
War doch unser Ziel,
Schandenfleck am goldnen Schlüssel,
Der uns niederfiel,
Den gekrampfte Finger reiben,
Den die Träne netzt:
Ach, es muß uns ewig bleiben,
Was in Elend hetzt.
Der den Eingang uns verboten,
Kehrt schon morgen heim,
Legt uns milde zu den Toten
In den blut'gen Schleim,
Ob die Lippen auch verklagen,
Was der Blick gesteht,
Sich die Hände, abgeschlagen,
Falten zum Gebet.
Immer sind wir Blaubarts Frauen,
Immer wohlbelehrt,
Und Verdammnis dürfen schauen,
Die Gericht begehrt.
SCHLESIEN
Auf grünem Grunde ein silberner Stier
(Auerochs).
Einst war die Erde wundersam bestreut
Mit Pflanzendickicht, starken, bunten Tieren,
Mit Breithornwiddern, langbemähnten Stieren,
Noch ohne Kette, Joch und Herdgeläut.
In Glutlands Höhlen brütete der Schwalk;
Es torkelte die Ungetüme Dronte
Durch wilden Weltteil. Ernst am Horizonte
Des öden Eismeers stand der Große Alk.
Und Herrscher ward, was Sau und Hindin warf,
Und Freie blieben, die in Hürden fronen;
Aus pelz'gen Häuptern brachen nächtlich Kronen,
Und aller Waffen waren jung und scharf.
Weit war die Erde, die nun klein und eng,
Da trug sie Wald und Wäldervolk gelassen
Und kann heut kaum das Wesenlose fassen,
Des Menschenschaumtopfs Brodeln und Gemeng.
Wer hat der Wesen Bürgerbrief zerfetzt,
Ihr Gut geraubt, ihr Schweigen ausgelichtet,
Wer hat den armen Bruder hingerichtet
Und trauernd dann das Denkmal ihm gesetzt ?
Drum sind wir kraftlos, schutzlos. Uns bedrängt
Das Starke, Reine noch im Buch und Bilde,
Der Aar im Liede und der Ur im Schilde,
Den diese Stadt an ihre Tore hängt.
Auf rotem Grunde, zum Dreipaß geordnet und
in der Schildmitte durch einen Ring vereint, drei
gekrümmte silberne Angelhaken; dazwischen
drei goldene Sterne.
Geh' jeder zu und trag' sein Licht,
Umschwankt von Faltern, Schattenkerfen.
Ihr mögt die Angeln nachtwärts werfen,
Was sie erbeuten, wißt ihr nicht.
Ein säumig wiegendes Gebraus
Umsingt die Brücke, die wir treten.
Beschwert den Faden mit Gebeten,
Ihr lotet nicht die Tiefe aus.
Verwagt ein Würmlein, zart und rot,
Die kleine Guttat, rasch vergessen,
Das Lächeln, armem Kind gemessen
Zu Zuckerherz und Pfennigbrot.
Die Wolke brütet grau im Rohr.
Da schnellt ein stürzendes Geflimmer,
Und freudig hüpft der Korkenschwimmer:
Ihr reißt beglückt den Fang empor.
Ein schwaches, blasses Ding von Gold
Und jäh durchzittert gleich dem Rochen.
Ihr könnt es nicht zu Mittag kochen
Und fragt euch, was ihr damit sollt.
In Silber ein roter Hahn zwischen drei
goldenen Sternen.
Ich Hahn fress' alle Sterne,
Die aus den Wäldern gehn,
Doch die trübe Laterne
Lass' ich am Graben stehn.
Mein munteres Kleid zu striegeln,
Hab' ich ihr Gold zerscherbt
Und hab' mit tausend Siegeln
Den Fittich rotgefärbt.
Erzene Körner rollen
Durch meine Höfe stumm,
Die Gräser sind verschollen,
Die Mauern wandern um.
In meinen Federn wohnen
Möchte Mörtel und Staub;
Ich kräh' aus Zinnenkronen,
Zupfe steinernes Laub.
Meine Füße zerreißen
Wiesen wie vierfaches Schwert.
Dem Rosenkamm ist ein Gleißen
Kriegrischen Schimmers beschert.
Wenn zu die Tore mir fallen,
Sinkt meines Schwanzes Rad;
Aus dem Gefieder krallen
Lichter der nächtigen Stadt.
Auf rotem Grunde eine zweitürmige Silberburg,
in deren offenem Tor ein goldener Igel steht.
Die schönsten Dinge sind in Nacht
Wie in ein Weckglas eingemacht;
Man muß den Deckel schrauben:
Da duften sie, da steigen sie,
Da wallen sie, da reigen sie
Und schmecken süß wie Trauben.
Das Kindlein, das in Kissen geht,
Die Mutter, die den Deckel dreht,
Sie sind drum wohlberaten;
Sie wissen, was der Mond gemeint,
Der gelb wie Apfelsine scheint,
Und wie die Sterne baten.
Die blaue Beere nimmt den Lauf,
Und schwarze Blumen brechen auf
Aus weißer Ofenkachel;
Der Zwergenigel steht und blitzt,
Wo Bergkristall zur Burg geschnitzt,
Mit seinem güldnen Stachel.
Und alles flieht des Glases Haft,
Und jedes glüht wie Brombeersaft
In tröpfelndem Gerinnsel.
Die taugewölbte Burg verschwimmt,
Des Igels goldnes Wölkchen glimmt
Ob der granatnen Insel.
Und wenn das Kind erwacht zum Spiel,
Dann findet's noch den Glitzerkiel,
Vom Igelpelz geschoren.
Er freut es sehr, er nützt ihm kaum,
Er ist so zwecklos wie sein Traum
Und geht ihm bald verloren.
Auf rotem Grunde ein goldenes Boot, darin drei
silberne Türme stehn, umglänzt von drei goldenen
Sternen.
Der Mond zieht leise den Flußpfad als goldener Nachen.
Er sucht einen späten Gast für die sanfte Fahrt.
Aus ihren Strudeln tauchen drei grünliche Drachen;
Aber der Mond gleitet hin, unberührbar und zart.
Und die alten Drachen schütteln den tropfnassen Bart.
Der Mond zieht hin an Ufern der Rotkleewiesen.
Er sucht für den stillen Weg einen stummen Gast.
Da steigen drei Türme auf in silbernen Fliesen
Und winken dem Kahn mit raunendem Lindenast;
Der Mond umfängt sie, und jeder ragt, funkelnder Mast.
Die silbernen Türme schweigen in rinnender Barke.
Gekrönte Wellen ducken sich ihrem Kiel.
Drei goldene Sternschmetterlinge entschweben dem Parke,
Umflattern Fähre und Fracht in flimmerndem Spiel
Und leiten die irre lautlosen Fluges zum Ziel.
Der Mond verschwimmt am Gestade, die Ränder zerfließen.
Da treten drei Türme sacht zur wartenden Au
Und lassen Pfeiler und Wand im Schlummermohn sprießen
Und treiben Hütte an Haus. Auf wachsendem Bau
Steht schreiend ein rundes Rot, ein glühender Pfau.
In blauem Grunde, auf grünem Rasen sitzend,
ein silbriger Hund mit goldenem Halsband.
Ein Irrer treibt in öden Tälern
Den hagren Stock durch Gras und Moos;
Er rastet gern bei Totenmälern
Und läßt die Beter niemals los.
Von Gram und Wahnsinn wallt sein Mund;
Er stammelt zart und fürchterlich:
»Beschenke mich. Beschenke dich.
Bedenke auch den kleinen weißen Hund.«
Dich fleht an schwerer Deichselstange
Der kranke, altgepeitschte Gaul,
Dich grüßt am Rain die arme Schlange,
Der blauen Rade Kelch im Maul,
Und klingend ihrer Sterne Grund
Enthebt ein helles Zittern sich:
»Beklage mich. Beklage dich.
Beklage auch den kleinen weißen Hund.«
Dem Menschen nahten fromme Leute,
In nackter Hand den Labequell;
Sie heilten grindzerrißne Häute
Und mieden wundgelittnes Fell,
Und selten trat in ihren Bund
Ein Bitten, das an Stricken schlich:
»Erlöse mich. Erlöse dich.
Erlöse auch den kleinen weißen Hund.«
In Rot über silberner Burg ein golden
beschwingtes Engelsköpfchen.
Dein Kind ist's, Mutter! Und dein Herz laß klopfen,
Und scheuch' ihm ersten Schlaf mit seinem Schlag,
Wirf ihm ins Haupt den scharlachroten Tropfen,
Erzwing' die Leuchte seinem Lebenstag!
Stürz' deine Kniee auf die Silberstufen,
Die himmelan in steilen Türmen gehn.
Dein Auge zittre! Gott, den du gerufen,
Er reißt dich auf und läßt in dir sich sehn.
Die Hände leer! Kein Nehmen mehr und Schenken;
Denn was dir kommt, das will dich arm und scheu.
An deinem Bett kein Brau'n von Liebestränken
Noch Bettlergreinen kraftlos dürft'ger Reu',
Kein Denken, scharrend gleich geschäft'gen Hennen,
Das ängstlich sich um kleine Speise müht:
Nackt sei dein Leib und innig dein Erkennen
Der Lust, die funkelt, und der Qual, die glüht.
Heut bist du ewig, weise und erhaben,
In dir ist sel'ge Wahrheit ausgesagt,
Für dich hast du das Rätselspiel begraben,
Das vor des Todes Unbedingtsein zagt.
Die Wände zucken blau und voll Kometen,
Das Fenster flammt. Zum Berge wächst das Spind
Und neigt sich fromm dem Säugling des Propheten,
Um dessen Wiege Leu und Otter sind.
SACHSEN
Auf Silbergrund eine rote Burg; zwischen den
beiden Türmen steht im grünen Kleide die Magd,
einen Kranz in der erhobenen Hand.
Die Türme reifen rot wie Beeren.
Wenn sie überrot sind, werden sie fallen ?
Werden wir, die Gefangenen, kehren
Zögernd in Gassen, die Gärten und Hallen,
Die wir einst Heimat genannt ?
Wir leben lang in den roten Türmen,
Höher denn Menschen, tiefer denn Götter,
Bedroht von Blitzen, berannt von Stürmen,
Erspäht vom kichernden Lauern der Spötter,
Das, Efeu, ins Fenster kriecht.
Schild und Zeichen rosten an Toren,
Briefe gilben bei linnener Quehle;
Ach, wir wurden schon nicht mehr geboren,
Sitzen und sticken an unserer Seele,
Reihn Tränen auf grünen Samt.
Manchmal streifen zum Kronenlaube
Gegen Abend die Vogelschatten.
Wir unterscheiden nicht Dohle und Taube,
Grübeln, bis unsere Schläfen ermatten,
Und wissen doch gar nichts.
Mäusegrau knabbern die Stunden hier innen,
Mit der Asche schütten wir Jahre.
Eine, Wächterin, starrt über Zinnen,
Nimmt, die Jüngste, den Kranz vom Haare ...
Der Wind rührt die Blätter.
SCHLESWIG - HOLSTEIN
In goldenem Feld eine blaue Burg mit drei
Türmen; ein rotes Eichhorn springt von einer
Kuppel zur andern.
Vogel Fluglos, unsres Leichten Seele,
Springelust der Welt,
Träger Art zum Vorbild und Befehle
Wardst du dargestellt,
Als dich Gott, ein Kindlein zu belohnen,
Einst zur Erde nahm.
Er stieg auf. Du durftest bei uns wohnen,
Weil er nicht mehr kam.
Wirbelflocke, rot gepelztes Flammen,
Kobold ohne Lug,
Wollt' ein Frommer deinen Fang verdammen,
Der die Amsel schlug ?
Ach, er sah dich eine helle Weile:
Eh' er sich verzieh,
Griff er erst in Demut Spruch und Pfeile,
Brach sie überm Knie.
Nieder tanzt du in die große Wage,
Die der Schöpfer faßt,
Bis sein Lächeln auf die goldnen Tage
Sinkt als schwerste Last.
Weil zernagt aus deinen kleinen Pfoten
Nuß und Zapfen fällt,
Hat der Richter Milde sich geboten
Und besteht die Welt.
In Rot auf Wellen ein altertümliches silbernes
Segelschiff.
Unsre Mutter schreitet durch die Flut,
Fleht mit Masten Stern und Wind vom Blau,
Günst'ge Sterne, Winde kindergut,
Mit den Heil'genarmen einer Frau.
Ihre Tage fahren über Meer,
Pflügen ewig grauen Ozean,
Ihre Nächte, leuchtturmkarg und hehr,
Sind Planetensprüchen Untertan.
Schwarzer Schattenstreif umkrampft den Bug,
Wirft sie hin auf dampfend nasses Bett;
Schwer in Schäumen keucht ihr Atemzug;
Roter Fruchtschatz schwillt ihr unterm Brett.
Wenn ihr dann der bunten Muschel lauscht,
Ihrem algengrünen Haar enttropft,
Wißt ihr, daß ein Wiegenlied sie rauscht,
Und den Herzschlag, der durch Planken klopft.
Vor blauem Himmel, unter Fahnen und dem Schilde
von Holstein, sechs weiße Giebelhäuser am Meere.
Wollt' ein Schiffer fahren in die weite, weite See.
Sagt, was soll er laden ?
Hundert Fuder grünen Klee.
Soll ich aber laden hundert Fuder grünen Klee,
Dorrt mir meine Habe auf der weiten, weiten See.
Nachbarn, ich will fahren in die weite, weite See.
Sagt, was soll ich laden ?
Tausend Tonnen weißen Schnee.
Will ich aber laden tausend Tonnen weißen Schnee,
Schmilzt mir meine Habe auf der weiten, weiten See.
Nachbarn, ich will fahren in die weite, weite See.
Sagt, was soll ich laden ?
Hund und Hasen, Wolf und Reh.
Werd' ich aber laden Hund und Hasen, Wolf und Reh,
Kommen sie zu Schaden auf der weiten, weiten See.
Nachbarn, ich will fahren in die weite, weite See.
Sagt, was soll ich laden ?
Was ich ganz und gar versteh'.
Wollt' ich aber laden, was ich ganz und gar versteh',
Könnt' ich wenig tragen auf die weite, weite See.
Nachbarn, ich will fahren in die weite, weite See.
Sagt, was muß ich laden ?
Aller Erde Ach und Weh.
Muß ich aber laden aller Erde Ach und Weh,
Wird mein Schiff erschlagen von der weiten, weiten See.
HANNOVER
Aufgerichtet auf goldenem Grund, zwei schwarze
rotkrallige Bärentatzen.
(für K.J.)
Lag ich und schlief, da dieses Eine geschah ?
Saß ich und träumte ? Frühling und Krokusbeet ?
Mählich flössen die tickenden Stunden ab
Aus der Uhr. Die Stunden sind lange verweht.
Von deinen Wimpern stäubte, da du sie hobst,
Goldener Seesand, überrieselte mich.
Zwischen den Augen sog sich bläulich und zart
Schattender Falter fest: da küßte ich dich.
Um dein blondes Haar strich Schwinge des Tags,
Auf deiner Schulter kniete nächtige Ruh';
Fernher winktest du mir wie durch einen Wald.
Sprachst du? Das weiß ich kaum. Doch sagte es: Du.
Und die Hände sanken wie Moorerde schwer.
Ach, deine Hände lagen auf meiner Brust,
Auf der Frau, die stumm und sinnlos sich bot,
Dick und haarig wie Moos, ein schwarzes Gekrust.
Irgendwo boll ein Jagdhund, fiel eine Axt,
Sang ein stürzender Wasserfall mit Getös.
Deine Krallen spritzten Funken, sehr rot,
Knisterten, kicherten, griffen teuflisch und bös.
Diese liebende Brust, mein atmender Leib
War dein mürbes Leintuch, das müde zerschliß;
Rosa und graue Flügelein deckten mein Herz,
Leise schlagend, bis es die Tatze zerriß.
Im blauen Feld eine silberne Rose.
Der Himmel ist die graue Rose,
Die sinnend Silberblätter schneit,
Hinab auf das Besinnungslose,
Das kluge Eis der Erdenzeit.
Sie wandeln scheu, wo Schrei der Raben
Mit jähem Ruck ins Blachfeld biegt,
Weil tief erschlagen, unbegraben
Ein Kinderleib der Sehnsucht liegt.
Da schmiegen sie die Glitzerherzen,
Die blühenden, an seine Brust
Und wärmen, blasse kleine Kerzen,
Das Stille, starr im Werkelwust
Und glauben nicht, daß Dank und Leben
Dies Beil der Schläfe eingepflanzt,
Daß über Armen, die sich heben,
Nie schwanweiß mehr die Feder tanzt
Und daß dies Sichre und Gemeine,
Die stete Spur zu Hof und Herd
Ihr Liebeskleid, das zärtlich reine,
Mit eiterbraunem Schorf versehrt …
Der Himmel ist die graue Rose,
Die träumend Silberblätter schneit
Hinab in das Bedeutungslose,
Das leere Licht der Menschenzeit.
In Rot ein weißer Mühlenstein mit blauem
Mühleisen.
O, über unseren Köpfen liegt ein Stein.
O schwerer Mühlstein ob dem kleinen Haupt!
Der uns die Sonne nimmt,
Der uns die Winde raubt:
Wir sehn ihn nicht und wissen doch, er muß sein.
Er ist in einer unsichtbaren Mühle,
Die plump auf unserem Berge lastet.
Sie mahlt verschollene Klagen
Aus hundert Nächten, tausend Tagen.
Wir hören, daß sie niemals rastet.
Unsere Eltern sind wohl gestorben.
Wir wachsen nicht.
Jedes hat noch sein kleines blasses Kindergesicht,
Nur unsere Kleidchen sind zwischen den Wurzeln
verdorben.
Traurig ist es in diesem Berge.
Rings bräunlicher Schatten.
Der fremde Pfeifer war nie mehr hier.
Aber manchmal kommt zu dem versandeten Kind
Eine der grauen, häßlichen Ratten,
Und wir spielen mit ihr,
Weil wir so arm und einsam sind.
Auf blauem Grund eine goldene Harfe.
Die Stadt stand, eine Harfe, auf dem Land,
In Stein geschnitten, unter goldner Wolke;
Aus ihren Türmen griff die große Hand,
Aus ihrer Saitenschar ein Lied vom Volke.
Da sirrten Räder durch den Arbeitssaal,
Befehl und Fluch ward eine schöne Weise,
In Hymnen glühte Flammenwall und Stahl,
Und Schlotrauch warf sie auf zur Himmelsreise.
Und Maler strichen pfeifend ihren Zaun,
Und Tischler brummten vor den Hobelbänken;
Ein armes Mädchen schrie im Abendgraun,
Und Trinkerlärm quoll aus den offnen Schenken.
Dann klang in Nacht der Töne Tropfenfall,
In dunkle, altertümlich schwere Truhe,
Und eine Mutter sang mit blauem Hall
Ihr kleines wunderbares Kind zur Ruhe.
WESTFALEN
In Rot ein gerundeter silbriger Aal mit Flügeln
und goldener Krone.
Alles ist seltsam in der Welt;
Ich bin Anfang und Ende.
Wasser, das dir vom Auge fällt,
Mörders Scharlachspende
Netzt meine flügligen Hände.
Ich bin der Aal -
Duck' dich, duck' dich.
Gebannt und fahl -
Duck' dich, duck' dich.
Wahrlich.
Ich töt' dich.
Ich feuchte tief einen roten Grund
Mit lieblich schlüpfriger Kühle;
Quäl' ich lächelnd den Erdschoß wund,
Wackelt zitternd die Mühle.
In Stuben rücken die Stühle.
Gerne beiß' ich in meinen Schwanz,
Sauge am Schleim, dem nassen.
Was ich da tu', ist Allerweltstanz;
Sie will ihr Endliches fassen.
Und kann sie's nicht, muß sie es lassen.
Einst hüpft' ich nachts vor Wucherers Haus,
Flatternd, doch ohne Füße.
Die Kuppelgreisin kroch meckernd heraus,
Daß meine Krone sie grüße
Und hurte mit meiner Süße.
Nun bin ich in Bildern verwünscht und gefeit -
Über mir rascheln die Ähren -
Und mache nur noch von Zeit zu Zeit
Hirnkranke Kinder gebären.
Mütter werden sie nähren.
Ich bin der Aal -
Duck' dich, duck' dich.
Gebannt und fahl -
Duck' dich, duck' dich.
Wahrlich.
Ich töt' dich.
In Rot drei silberne schrägfließende Ströme.
Ich lag und schlief,
In bärmefeuchten Erdteig eingebacken,
So gut und tief.
Und Wurzelschnüre schmückten meinen Nacken.
Ich lag und sann.
Mir bröckelte am Mund die braune Rinde.
Es schritt ein Mann
Und zog um meinen Stein die Pfeifenwinde.
Die Winde hier,
Ich sah sie dort in zugeklebten Lidern.
Sie rief nach mir
Mit leisem Blatt: ich konnte nichts erwidern.
Ich lag im Brot,
Und die es nährte, kamen, mich zu essen;
Denn ich war tot.
Das fiel mir ein; ich hatt' es längst vergessen.
Mein Augenpaar:
Gleich mürben, abgebrannten Kerzenstümpfen.
Mein weiches Haar:
Gemeng von Schlamm und Pflanzenwust in Sümpfen.
Der Sprache Licht:
Die Wühlmaus trägt ihr Nest in meine Kehle.
Ich stör' sie nicht. -
Ein weißer Strom gleißt auf von meiner Seele.
Er stürzt und eilt,
Des Grabes grüne Blume zu begießen
Und dreigeteilt
In große rote Reiche einzufließen.
Der Dreistrom sinkt.
Ich sickre flach und flüstre, da ich schwinde.
Mein Letztes trinkt
Ein Amselweibchen und die Pfeifenwinde.
Auf grünem Grund eine silberne Buche.
Einmal bin ich in die Welt gegangen:
Blumen lachten, wie die Quellen sangen,
Vor der Scheune tanzten Spatzenschwärme,
Brot und Sonne schien voll goldner Wärme.
Doch dann fiel ich von der Menschen Wegen,
Unter Tieren hab' ich lang gelegen;
Kam der Engerling, mich anzustaunen,
Fand der Maulwurf her, mir zuzuraunen.
Als die Augenäpfel mir verdarben,
Schwanden zart getuschte Wangenfarben,
Beinern blieb vom Bilde nur der Rahmen.
Aber nieder sanken Kern und Samen.
Bin in jene Frucht ich eingekrochen ?
Hab' ich jene Schale dann zerbrochen?
Sprang ich fort von meiner eignen Hüfte,
Da ich silbern aufwuchs in die Lüfte ?
Als der Tag die Sonne mitgenommen,
Ist ein armer schwacher Hund gekommen.
Jeder hetzt ihn, keiner will ihn haben;
Der ihn liebte, wurde längst begraben.
Zitternd leckt er seiner Wunde Rinnseln
Und beklagt sich scheu mit leisem Winseln,
Bis mein Arm ihn wärmt in grünem Tuche
Und mein Antlitz aus der Silberbuche.
HESSEN - NASSAU
Auf blauem Grunde, goldgekrönt, der silber-
und rotgestreifte hessische Löwe.
So zartes Spielwerk hat wohl nur die eine,
Der Königstochter müde Hand, berührt,
Das kühle Silber fröstelnd scharf gespürt
Und wundersam die rotgeäugten Steine,
Darin ein Gnom zu glastend düstrem Scheine
Vertropften Wollustfunken einst geschürt
Und deren Fruchtschmelz zum Genuß verführt
Wie Kirschen und rubinenfarbne Weine.
Ein Palisanderkästchen, alt, zerschrammt.
Auf Schloß und Pforte starrt der kleine Leu:
Schon schnappt es über ihn wie Maul und Zähne.
Nun hockt er sinnend tief im blauen Samt
Und zieht die Pranke an und sinnt aufs neu.
Und hebt das Krönlein zitternd aus der Mähne.
Ein schwarzer Balken auf silbernem Grunde
Unter schwarzem Gebälk
Hocken die bösen Raken.
Ihre Augen blaken,
Ihre Flügel sind welk.
Ihre Krallen sind krumm.
Mit gespaltenen Schnäbeln
Sabbern sie zahnlos, säbeln
Rasselnde Schatten um.
In dem schwarzen Gebälk
Knacken böse Gedanken.
Milchige Tropfen schwanken,
Nachtmahrs Ziegengemelk.
Graulicher Wechselbalg
Saugt noch am Ratteneuter.
Mordgeist sucht Wabenkräuter;
Aus seinen Lidern quillt Talg. -
In den flutenden Kanal
Stürzen Fahnen schwarzer Seide,
Aus der runden Silberscheide
Fährt ein blauer Mondenstahl.
Wesend löst sich, was er traf,
Rieselt, Tau, in Phlox und Nelke.
Unterm wohnlichen Gebälke
Wiegt ein Schwalbenpaar der Schlaf.
Wappen von Gemünden an der Wohra
In Silber zwischen zwei Sternen ein schwarzer
Adler mit einem Ziegenkopfe.
1.
Nur der Nacht, der glaubenden und großen,
Traut das wüste Schrecknis, das er ist:
Dieses Schnabelmaul, das Gräser frißt,
Und die Hörner, die den Himmel stoßen.
Denn er haßt des Tages Wälderhalle,
Ihres grünen Vorhangs Laubgespinst,
Draus der See mit höhnischem Kristalle
Ihm sein Spottbild roh entgegengrinst.
Ach, vergeblich werfen sich die Krallen
In Gefieder, Fell und roten Schaum;
Was er hoch auf Berge schleppt und Baum,
Läßt er unberührt, voll Ekel fallen.
Unter Eichelstreu und Bucheneckern
Scharrt und stumpft sein königlicher Fang,
Und ein blödes, jämmerliches Meckern
Äfft des Räubers gellen Kampfgesang.
Adler! Adler ist er doch geblieben,
Und kein Rauschkraut wuchert, das ihn heilt.
Keiner Herde hat ihn zugeteilt,
Der von seinem Horst ihn ausgetrieben.
Sein Entsetzen trägt er in die Auen,
Narrt das Weidetier an Pflock und Strick:
Bart und Fittich. Bocksgehörn und Klauen.
Er umkrampft ein stürzendes Genick …
Schwingenfreude muß ihm Klage werden,
Und zum Hufschlag ward er nicht verdammt;
Wenn ihn jäh in Wut und Graus entflammt
Irre Lust, ein Vieh zu sein auf Erden,
Wenn er geil sich letzt an Blatt und Beeren,
Da sein Mahl, das Opfer, ihn verstößt,
Harrt er doch mit Ängsten und Begehren
Einer Kugel, die ihn nie erlöst.
2.
Was tat ich dir? Ich Tier? Was hast Du, Gott,
Dem Armen Fang und Flügel anerschaffen ?
Es trappeln Zicklein hin in Tanz und Trott,
Und ich muß schweben und sie reißend raffen,
Dem Vieh ein Graun und dem Gevögel Spott ?
Was gabst Du mir das runde, weiche Maul,
Den milden Flaum, Gelüst nach bunten Gräsern
Und stillen Mut wie Schafen, Rind und Gaul
Und hast den Weg mir vollgestreut mit Äsern,
Verrottung dünstend, widerlich und faul ?
Ich fühle manchmal, daß ich Ziege sei.
Dann mag ich friedvoll kleine Kräuter rupfen,
Und mein Gesicht geht an mir selbst vorbei.
Da find' ich jäh am Haar den roten Tupfen -
Stürz' auf in Luft und schneide sie entzwei.
Ich kroch in Stein. Auf meinen Meckerruf
Umkreischten mich die Adler aus der Helle.
Ich glitt ins Feld. Da floh mich Horn und Huf.
Und als ich trank, erschauerte die Quelle
In meinem Abbild, das sie selber schuf.
RHEINLAND
Auf Goldgrund, steigend, ein blauer Löwe.
Noch immer kehren Zeiten
Dem rufenden Gedanken,
Da blaue Löwen schreiten
Auf glutbewehrten Pranken,
Da ihre Krallen greifen
Nach schwarzen Horizonten
Und, wo sich Ähren sonnten,
Saphirne Mähnen reifen.
Nur Nächte türmen Klippen
Zur Wandung ihrer Höhlen. -
Den taggefangnen Sippen
Bleibt lustbefriedigt Gröhlen,
Ziemt käferhurtig Tollen
Durch kleine bunte Zimmer ...
Sie ruhn in Schweigens Schimmer,
In tönend dunklem Grollen.
Sie steigen mit den Meeren,
Bekrönen sich mit Bäumen,
Mag Wachsein ihnen wehren,
Sie kauern über Träumen,
Mag furchtsam fliehn zur Ferne,
Was irdisch flinkes Heute:
Sie schlagen ihre Beute
Und reißen sie in Sterne.
Geteilt: im oberen, roten Feld drei goldgestielte
silberne Hämmer, unten in Silber zwei schwarze
Balken.
Was über die schwimmenden Wipfel hallt,
Ist es Schweigen, ist es mein Traum ?
Drei Hämmer reden erzen und alt
Zu schwarzen Balken des Nachts im Wald
Am Haus von Borke und Baum.
Was schlagen die Hämmer ins Waldgesicht
Den Bau von Rinde und Ast ?
Ein Dach dem Wesen, das hockte und spann,
Als Regen schlackte, als Schneeglast rann.
Sein Haar strähnt fahlfarb wie Bast.
Was spinnt das trübe Wesen im Wald ?
Aus dem Weinen der Welt einen Strang.
Der aufreicht einst und Gott umkrallt,
Ihn niederwürgt zur Menschengestalt. -
Der Strick wird nie so lang.
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