Gedichte
1921
Alle Zeitangaben zu den Gedichten geben das Datum an, dem der Text zugeordnet werden konnte.
Bezug hierzu sind die Angaben aus der Sammlung der 1987 von Klaus Völker herausgegebenen Gedichte.
Inhalt
Winter mordet unsern Liebeswald
Du Opfer meiner Lebensfeigheit
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07. 01. 1921
Der Gefangene
Sie schließen mich von jeder Freude aus;
ich bin ihr Werkzeug und darf nie ermatten.
Mich hält das gleiche dunkle Mühsalhaus
jahrein jahraus in seinem Schatten.
Ich ahne nur den Hauch von allem Duft,
der selig schmeichelt um die Jahreszeiten;
zeitlos unglücklich welk ich in der Gruft
meiner demütigenden Hörigkeiten.
Und kommt ein Tier an meinem Haus vorbei
und wittert mich und scharrt an meiner Mauer -
es schleppt sich fort, und meine Wüstenei
wird dorniger um diesen Hoffnungsschauer.
Nichts hat den Zauber je, mich zu befrein,
unendlich blühn die Hecken, die mich halten.
Erst wenn ich werde schmerzversteinert sein,
wird ein zu später Blitz den Turm zerspalten.
07. 01. 1921
Dies ist die Zeit
Dies ist die Zeit, daß du den Freund als Feind erkennst;
wer Liebes zu dir sagt, verwundet deine Scham.
Dies ist die Zeit, daß du dein Vorbild Lüge nennst
und machst aus deiner Freude kupplerischen Gram.
Dies ist die Zeit, daß alle Bosheit sich enthüllt,
im Traum der Heiligkeit sich das Geheimnis zeigt.
Dies ist die Zeit, in der sich das Gesetz erfüllt,
nach dem die Jungfrau sich vor dem Verräter neigt.
Dies ist die Zeit, die mich am tiefsten leiden läßt:
wenn ich den andern glücklich schien bei Tanz und Wein:
»Seht, wie die Freudenträne seine Wange näßt!«
- bin ich mich selbstverachtend grenzenlos allein.
10. 01. 1921
Gewitter-Vision
Auf den Gewölben des Donners
tummelt, von Blitzen umsprüht,
sich der Drache des Sommers,
golden sein Stirnschild erglüht.
In den rotflammenden Türmen
züngelt sein lüsterner Tanz,
gegen die Kreuze schlägt hürnen
Flüche sein Schuppenschwanz.
Von dem Beif seiner Zähne
klirren Wappen und Wehr.
Wenn jetzt Sankt Georg käme,
er siegte wohl nicht mehr. -
- Im Begenbogenschaume
das Ungetüm zerschmolz . . .
des linden Abends Laune
schnitzt es ins Brückenholz.
31. 01. 1921
Winter mordet unsern Liebeswald
Mit einem Kusse hast du dich von mir gelöst -
doch als du über unsern Hof zum Torweg schrittest,
warst du mir schon entrückt um wieviel Welten!
Wie böse Herbste unsern Liebeswald entblößt,
war mir zutiefst bewußt, und wie du an mir littest;
so könnt' ich nur das eigne Leben schelten.
Die Geigen, die dich trösten würden, hörte ich
wie das Gezischel wüster Neider spöttisch nahe,
wenn ich ein Buch aufschlug, so schrie es: Rache!
Ich wußte doch, ein neuer Traum betörte mich:
so sehr ich auch mein Todesurteil jetzt bejahe,
vor deiner Wiederkehr war ich der Schwache!
Stürzest du diese Nacht in fremde Flut,
schlägt sie schon an mein Haus, in dem ich sicher sitze,
wenn ich erwache, bist du nicht zu retten?
Ich weiß zu spät: du trankst den Wein dort wie mein Blut,
und hofftest bis zuletzt, daß ich dich noch beschütze,
und fielst, weil dich umschnürten meine Ketten!
Nun dürfen deine Augen nie im Dunkel ruhn,
du suchst die meinen reuevoll Verzeihung weinen,
und deine starre Hand versucht die Rosen,
die zwischen mir und deinem Antlitz, fortzutun;
die mitleidsvoll nicht weichen, denn mein Antlitz
gleicht den Steinen,
und starrt herzlose Maske im Herzlosen.
15. 02. 1921
Mich lockt ein Fremdes
Mich lockt ein Fremdes, dem ich schon mißtraue,
obwohl ich mich von ihm verführen lasse.
Das Strahlende im Tal der schwarzen Gasse
bezaubert mich, auch wenn ich es durchschaue.
Längst weiß ich, welche Lüge es verklärte;
könnte ich durch die Haft der Wände schreiten,
ich gastete nur bei Unseligkeiten
und wäre des Gewöhnlichen Gefährte.
Und dennoch lockt mich jedes neue Bildnis,
der Riß im Vorhang heuchelt mir Bedeutung.
Beschenkt mich eine heimliche Erbeutung,
Glück ist die Flucht in eines Wahnes Wildnis!
10. 03. 1921
Du Opfer meiner Lebensfeigheit
I
Du opferst dich für mich. Wie sie dich quälen!
Wie sie dich hassen, weil du mich so liebst! -
Nun kann mein Blick nur deinem Bild erzählen,
wie sehr ich bange; ob du mir vergibst.
Die Stube bangt mit mir. Wir beide harren
auf deine Heimkehr. Aller Abend harrt.
Die bösen Augen, die dich dort anstarren,
sind dann in unsres Gartens Sand verscharrt.
Reif bin ich, überreif zum Untergange.
Was mühst du dich um einen toten Mann?
Wer niemandem mehr nützt, der starb schon lange,
wer keinen heimatlich mehr hegen kann.
Vergiß mich! Gib mich auf! Laß dich beglücken!
Mein Dasein hat das deine nur beschwert.
Sei fließend Silber unter tausend Brücken
und fordre deines Lebens ganzen Wert!
Sei frei im Spiel der Sonnen, die dir gleichen!
Sei frei im Lied des Meeres, das dir gleicht!
Flieg mit den Winden, nie mehr zu erreichen!
Sei wie die Feder einer Wolke leicht!
Sei stets im hellsten Glanze! Laß versunken
die Stunden sein, die du an mich verlorst!
Vielleicht bin ich der Dunst in den Spelunken,
daß du dir endlich mein Geleit verschworst.
Leer ist mein Leben. Laß den armen Schatten;
verschwende nicht dein junges Blut an ihn!
Daß soviel Jahre deine Liebe hatten,
ist mehr, als je mir einst erreichbar schien.
(Was du auch tätest, wäre recht befunden,
weil du so lang dich deines Glücks entschlugst,
weil du, an meine Eigensucht gebunden,
nur allzu willig meine Lasten trugst.)
Nicht weiter sollst du nun den Leichnam schleppen,
der wie ein Joch dir deinen Nacken drückt!
Er stürzt ins Dunkel. Auf den goldnen Treppen
steigst du empor, daß dich dein Engel schmückt.
II
Was ich dir gebe, ist von dir genommen.
Was ich dir sein kann, deine Nachsicht schuf es.
Ich lebe, weil ich drunten einst vernommen
die große Lockung deines Liebesrufes.
Weil aus den Totenhöhlen herrlich löste
uns Nachtgefangne deine Prophezeiung. -
Nun suchst du selbst den Engel, der dich tröste
und schenke dir das Wunder der Befreiung.
Denn wie ein Alp leb ich von deinem Blute,
durch deine Martern hab' ich unermessen
die Welt für mich: das Böse und das Gute
zu tun, von keinem fremden Schwert besessen.
Doch was du für mich leidest: ich verspiel es!
Und ohne Dank verschwend ich deine Güte.
Lenz will es werden. Aber allzu Vieles
in meinem Traumgefild hat keine Blüte.
Herbstliches Welken blieb auf meinen Tagen.
Dein Opfer ist umsonst: nie find ich Frieden.
So geh du deinem eignen Glück entgegen!
Ich sink zurück ins Leid, das mir beschieden.
27. / 28. 03. 1921
Der ewige Weg
Es schaukelt über seiner Nachtpromenade
des Turmes sanft erhelltes Ziffernblatt.
Er dichtet der Geliebten alle Gnade
an ihre traumumblühte Ruhestatt.
Kreuzt seine Heimkehr noch ein Abenteuer,
erscheint sein Stern am Himmel irgendwo,
er merkt es nicht: in einer Wolke Feuer
geht er geschützt, des eignen Werkes froh.
Der Straßen Gaukelspiel wird spöttisch Hülle
von einem Dämon, der ihn weit entführt.
Armselig schmilzt der Jahre goldne Fülle,
ein letzter Kuß der Liebsten Stirn berührt.
Schon landen sie an magischem Gestade,
das keinen Schatten ihrer Taten hat.
Fern starrt auf eines Enkels Nachtpromenade
des tausendjährigen Turmes Ziffernblatt.
01. 04. 1921
Zu wenig Liebe
Zu wenig Liebe ist um ihn bemüht,
sein Weg bleibt winterlich das ganze Jahr,
zu wenig Liebe in ihm selber blüht,
und jedes Wunder wird zuletzt nicht wahr.
Das Angebetete steigt nie herab.
Der Krug, der weiß im Laubwerk lockt, ist leer;
der sich verspätete am Freundesgrab,
hat um das eine Mal die Welt nicht mehr.
Zu wenig Liebe wartete auf ihn,
die solchen Wartens nimmer müde sei.
Die zärtlichen Gelegenheiten fliehn
an seiner Hand, die sich nicht traut, vorbei.
Was er sich wünscht, bleibt nah doch ungewagt,
was er zu fürchten hat, wird nicht verweht;
weil keiner ein Gelübde zu ihm sagt,
weil keiner treu zu seinem Herzen steht.
Zu wenig Liebe strömt von euch zu mir;
zu wenig Liebe blüht von mir euch zu!
Nicht sanfte Zärtlichkeit, nicht Liebesgier
umkränzt, verzaubert stark ein Ich, ein Du.
Ich bin entschuldigt, weil ich einsam kam;
und bin verdammt, weil ich auch einsam schied.
Doch wer mir huldigt, macht mich klein vor Scham,
und klein vor Stolz, wer mich Verfehmten mied.
Zu wenig Liebe zwingt die Welt zu mir,
mein Tag bleibt winterlich das ganze Jahr!
Und mit zu wenig Liebe dank' ich ihr,
daß sie mir eine Weile Obdach war.
14. 05. 1921
Wie ein Märchen war's
Wie ein Märchen war's, daß du mir vertrautest,
Maientag und Sonne sangen's ein,
und je zärtlicher du in mein Auge schautest,
desto ewiger begann mein Werk zu sein.
Desto leichter war mir des Kreuzes Bürde,
weil ich's nun für unsre Liebe trug -
daß mein Leben ganz frei und furchtlos würde,
tatest du dir selber lang noch nicht gut genug.
Größres wolltest du von dir selbst verlangen,
selber tragen meine schwerste Last,
und du bist freiwillig in die Nacht gegangen,
nur damit du mir den Tag gegeben hast.
Jeden neuen Tag hab' ich dir zu danken,
du vergehst, damit ich blühen kann,
wenn dem Glockenschlag deine Freuden sanken,
Schöpferfreude für mich zu glühn begann.
Wie ein Märchenschloß, das du mir erbautest,
Maientag und Sonne singen's ein,
und je kerkerhafter blutlos du ergrautest,
desto strahlender begann mein Tag zu sein.
Mag ein Leben je zur Vergeltung reichen?
Immer werd' ich schuldig vor dir sein,
noch mein Opfertod kann sie nicht erschleichen,
denn du sargst dein Leben für mich ein!
Voller Zukunft jung ungenoßnes Leben,
für mich, der an seinem Uberlebten hängt
und sich selbst belügt, er könnte etwas geben,
für die Welt, die er unverdient empfängt!
Nimm die Welt für dich! Mich laß nutzlos modern!
- Welt, die ich nicht einmal mehr dichten kann -
Und wenn meines Totenfeuers Brände lodern,
fängt für dich ein neuer Glanz der Lebenslichter an.
etwa Juni 1921
Verwandlung
So sehr andre sind wir, wenn wir schwärmen,
daß an uns, die sonst wie Schollen stehn,
kalt und einsam, wenn wir fremd vergehn,
sich die Sommer ihre Herzen wärmen.
So sehr andre sind wir, wenn wir beten,
daß von uns, die Kindliches sonst flieht,
wenn mein Lied vor seinem Christbaum kniet,
Sterbende den Segen sich erflehten.
So sehr sind wir unsrer Engel Schatten,
die in uns wie in Kapellen treten
und am Altar unsrer weißen Träume
ruhn sie wunschlos aus von ihren Flügen.
Aber wenn sie mich verlassen hatten,
war ich wieder Ich mit den unsteten
Menschlichkeiten, deren trübe Schäume
geilen auf dem Sumpf der Alltagslügen.
Mit dem Lorbeerkranze des Propheten
darf sich Habsucht ihren Spaß gestatten:
kaum daß noch ein Ahnen grüßt die Säume
von den dunstverhüllten Himmelszügen.
24. 07. 1921
Neißer Wiederkehr (1)
Ruhlos streif ich durch die alten Straßen
meiner Heimatstadt, der sehr verhaßten,
und ich fahnde nach den einst verpaßten
Glücklichkeiten, und bin ohne Maßen
feindlich allem, was mir hier begegnet,
fremde Fratzen gleichen schon den alten,
mir zum Trotz vertrauten Mißgestalten,
über die der Glocken Lallen regnet,
und die Kellner auf der Marktterrasse
zögern, bis ich meine Lust verpasse.
Und die schönsten Frauen noch verschanzen
ihre Feigheit hinter frommen Phrasen,
und schon wispert das Geschmeiß der Basen,
wenn um Nacktes meine Träume tanzen;
ruhlos hüpft die Hast mir der Gefühle,
aber ihre Stumpfheit kriecht wie Schnecken,
lästernd klebt sie an den Straßenecken
und kriecht vollgestopft ins Kirchgestühle,
und die alten Wänste stier vertieren
ihre Stunden lustlos hinter Bieren.
Väter überlebten ihre Söhne,
und am Stammtisch mufft ihr Skatgemecker,
Mädchennachwuchs, der noch lieb und lecker,
stürzt ins mütterliche Geldgestöhne:
Lüsternheit bekreuzt sich vor dem Lieben
und hält heilig jeden Skat der Alten,
Uniformen dürfen weiter schalten,
alles ist im alten Gleis geblieben,
spukte nicht, vom Stumpfsinnsrad umkreist,
ich allein als ruhlos böser Geist.
Ende Juli1921
Verlier ich dich?
Verlier ich dich wie Laub im Sommer schon
vom Baume fällt, eh sich die Zeit erfüllte,
da mich doch eben noch dein Haar einhüllte;
stiehlt sich der Liebesengel nun davon,
noch eh er mir die schönsten Wunder gönnte,
noch eh er dich mit allem Glück verwöhnt,
nie blieben unsre Seelen unversöhnt,
die nun ein Traum, ein fremder, trennen könnte?
Stets blühte noch ein Wort, die Angst zu bannen,
und der schon an der Tür stand, ging nicht fort,
schweigt nun die Nacht sich um das Zauberwort,
und geht für immer nun das Glück von dannen?
Ist fremder Zauber stärker als der meine,
gibst du dich wieder an den großen Pan,
von dem du kamst, und ist ein kleiner Wahn
nur noch vor dir, daß ich dir so nachweine?
Bewein' ich, daß ich schuldig an dir bin,
kann keine Reue dich noch einmal halten?
Auch dies: daß wir vereint zu Stein erkalten,
wird nicht gewährt, und alles ist dahin.
27. 07. 1921
Neißer Wiederkehr (2)
Es starb ein Mensch. Die Sterbeglocke läutet.
Auf der Cafe-Veranda gaukeln Tänze.
Hätt' ich mir diese schlanke Frau erbeutet,
ich gab' sie nicht um alle Lorbeerkränze.
Die Bürger gehn sinnlos wie Marionetten,
auf die ich warte, kommt mir nicht vorüber.
Soll ich mich wieder zu Likören retten,
ward nicht durch Trunkenheit mein Tag noch trüber?
Ich schwärme wieder kindisch wie ein Schüler,
als hätt' ich nie erlebt dein Glück, du ferne! -
Gefestigt langen Gente nach dem Kühler
und raffiniert erglühn zwei Augensterne.
Und während ich mich so an Tand verliere,
bin ich so sicher deinem Weg verbunden.
Gespenstisch klirrn veraltete Offziere,
Selbstschützler protzen mit gestohlnen Hunden.
Ich fühle mich als den, der all das dichtet,
und überheblich lächelt meine Miene.
Ein Blick von dir hätte mich jetzt vernichtet,
wenn seine Klarheit meinen Trug beschiene.
Denn trügerisch geriet ich ins Getriebe
des Trügerischen, das hier alles webte,
doch sag ich jetzt das seltne Wort »Ich liebe«,
so weiß ich, daß ich's nur mit dir erlebte!
So läuten allem hier die Sterbeglocken,
so ist dies nur ein Traum im Reich der Schatten
wie lächerlich bemüht er sich, zu locken:
wir wissen, wo wir unsern Himmel hatten.
Ende Juli 1921
Er und Hölz
Er nächtigt nicht als Flüchtling unter Brücken,
stets ist ein weiches Bett für ihn bereit;
nie trifft des Büttels Rute seinen Rücken,
er lebt in satter Selbstgerechtigkeit.
Zu feig zu tun, was er als Pflicht erkannte,
genügt ihm, dich zu preisen, der sie tut:
dich, der den höhnenden Palast verbrannte
und Aug um Auge zahlte, Blut um Blut.
Doch jener heißt sein Feigesein Erbarmen
und führt dein mutiges Wort als Bettelstab
und birgt sich selbst im tatenlosen Warmen.
Sein Beifall schändet dein Märtyrergrab.
18. 08. 1921
Der Gefangenen
In dem Kerker meiner Kargheit halt ich wieder dich
gefangen,
ich verleite dich immer in des Leids Umwegsamkeit.
Glück und Freiheit und die weite große Welt
sind dein Verlangen,
ich verzaubre deiner Jugend Flügel in Unregsamkeit.
Löstest du dich gern ins Lichte, wärst du gern geliebt
von allen,
zwing ich dich zurück in meine haßerfüllte
Einsamkeit.
Dunkel ist wohin ich flüchte, keinem Gott ein
Wohlgefallen,
nirgends wölbt sich eine Laube bunter
Lustgemeinsamkeit.
In den dörflichen Einöden ließ ich deinen Stolz
verkommen,
als Gewitter mich umdrohte, hast du doch für mich
gebebt!
Stand ich unter fremden Sternen, hab ich nur dein Lied
vernommen,
noch am Abweg meiner Spiele hat dein Lächeln mich
umschwebt!
War es doch dein schwerstes Weinen, hielt sich so vor mir
verborgen,
daß dein Herz sich mit mir mühte, hüllten
Rosenhecken ein,
Festgeleite sollte scheinen das Gefolge deiner Sorgen,
wo mir meine Hoffnung blühte, sollt' sie süß
zu schmecken sein.
Immer härter war das Opfer, konnte dich und mich
zerbrechen,
und der Garten unsrer Liebe war der Sonne schon
entwichen.
Überwindest du dich selber, fängt das Steinbild an
zu sprechen
und ist wieder Aphrodite, das der Furie fast geglichen.
Und wir opfern ihr gemeinsam deine Härte, mein
Verirren,
Glück und Freiheit und die Werke großer Welt ist ein
Vergeben,
vor den Wagen junger Brautfahrt wolln wir neu die
Rosse schirren
und mit ewiger Umarmung in die Flucht der Jahre
schweben.
August oder September 1921
Erlebnis im Gebirge
Mein Sang kam ab von meiner Wanderschaft
auf einem Waldpfad, der im Dickicht stockte.
An allen Wirtshaustischen saß die Kraft,
die meine Träume in den Hohlweg lockte.
Dazu trieb deiner Stimme Not mich fort
jenseits von dieser Lockung und von jener,
und meine Sehnsucht wußte keinen Ort,
sich zu verdingen als ein Tagelöhner.
Ein Auge war auf allen Zinnen wach
und eine Hand, den Flüchtigen zu greifen!
Kein Wasser, uns zu trennen, floß im Bach;
der Weg stieg in unendlich vielen Schleifen.
Er stieg und stieg - und niemals kam der Quell,
an dem die Prüfung j äh zu Ende wäre,
hoch, unerreichbar, höhnte das Kastell,
zu dem ich strebte, daß mein Los sich kläre.
Dort in des Baues goldnem Gipfelglühn
mußte sich meine Flucht zuletzt erfüllen.
Die Füße schmerzten, sich emporzumühn,
und Nebel würden bald mein Haupt umhüllen.
Und lohnte es sich noch, ihn zu bestehn,
der aus den krausen Nachtgehölzen geistert?
Sein Gnomenvolk ist nicht für mich zu sehn
und wird von keinem Menschenwort gemeistert.
Mutlos am Wirtshaustische blieb die Kraft,
die meine Träume höher locken sollte.
Und ohne sie kehrt meine Wanderschaft
zur Heimat sich, die dir Lobhymnen zollte.
06. 09. 1921
Verwandlungen einer Nacht
Kennt irgendwer die Angst, wenn in der Nacht
im fremden Hofe drüben Tore hallen?
Noch ging durch meinen Traum in Zaubertracht
ein mittelalterliches Wohlgefallen.
Vorspiel des Irrsinns: auf der Bühne tanzt
mein Spiegelbild mit einem Fabeltiere;
ist dieser Harfenbaum von mir gepflanzt
und dieser Wein glutroter Kreuz-Spaliere?
Ist das denn Wachsein? Du nur atmest still
in deinem Bett, um das die Engel ziehen. -
Nie will mein Morgen, was mein Abend will,
und frühe Stunden schreien auf und fliehen.
Ich fliehe angstvoll durch den Wald der Nacht,
sie sind dicht an mir, ihre Schüsse hallen . . .
Dann hat die Bahre mich zurückgebracht
in mittelalterliches Wohlgefallen.
26. 09. 1921
Böse Ahnung
Auch mich kommt man bald holen,
ein Zeichen ist ins Tor gekerbt,
die Straßenjungen johlen,
und meine Wege sind verscherbt.
Versperr' ich meine Türe -
ein Fußtritt sprengt sie, ich bin Spott.
Ich spüre schon die Schnüre,
die mich zerschinden am Schaffot.
Vielleicht geht alles leise
und wie im Traume zu,
mich überwinden Greise,
daß ich mich selbst abtu.
Nein! Schmerzt nicht schon die Wunde,
da sie mich werfen in ihr Boot?
Schmeckt nicht in meinem Munde
der Knebel schon nach salzgem Tod?
Ein Wellenspritzer küßt mich,
wie ein Verräter küßt.
Am Ufer lächelt listig
der Henker am Gerüst.
Vielleicht spielt, wie zum Tanze,
es mich ins Grab hinein,
und drüben mit dem Kranze
harrt deine Sehnsucht mein.
Nein, Eisenpeitschen pfeifen,
mein Haupt im Staube rollt;
nach meinen Augen greifen
die Mörder wie nach Gold.
Des Marktes Gassenhauer
bejubelt meine Pein,
und der Geliebten Trauer
wird ein Gewand nur sein.
Anfang Oktober 1921
La belle Albine, douze ans
Ich erinnre mich noch an sein Fluchen,
als bei den ersten Versuchen
er griff meine schmalen Glieder
und bog sie auf und nieder;
war irgendwas im Wege,
so setzte es erst Schläge,
dann über die Schranke ein Lauf,
hoppla, zerfetzt ist die Hülle,
sein Ordner-Pfiff, der schrille,
schreckte die Ohnmacht auf.
So jung wie ich ließ keine
sich nehmen an die Leine,
spreizt keine ihre Beine
mit donnerndem Applaus.
Er wirft mich auf die Stange
und schreit: »Avanti, Range,
jetzt mach ein volles Haus!«
Das Höschen sitzt mir prall,
ich hänge in den Ringen,
die mich erst zaghaft schwingen,
bis der Trompetenschall
macht, daß ich wirbelnd treibe,
ich schwitz am ganzen Leibe,
es fliegt mein offnes Haar,
ich segle in den Lüften,
mir wird so sonderbar:
an meinen Mädchenhüften
steigt es wie Streicheln auf,
rumort um Knie und Brüstchen,
ich spüre ein Gelüstchen
und laß ihm freien Lauf;
im Zelt die Männeraugen,
die sich an meinen zagen
Wölbungen festsaugen,
kitzeln meinen Magen.
Sie sind wohl alle auf dem Sprung
zu tun, wie Jaques mit Ellen tat;
Papa sagt, ich sei noch zu jung,
der Stallknecht feixte, als ich bat,
der August sieht mich seltsam an
und schielt nach meiner kleinen
Person, sobald mein Akt begann,
sonst aber wüßt ich keinen,
der Mann, der hier Kritiken schreibt,
ist unbestechlich und beweibt.
Man munkelte vom Staatsanwalt
und vom Gerichte,
es ist wohl eine windige Geschichte,
und Papas Peitsche knallt,
und alles wirbelt so vorbei,
was sich die Tröpfe sorgen -
ist doch die ganze Hexerei
über alle Berge morgen.
Gestern war'n wir noch in München,
wenn wir heut in Leipzig sind,
und mich armes Opferhühnchen
rast ein höchst verwegner Wind
unablässig durch die Lande
her und hin, hin und her,
macht' ich dort mir gestern Schande
mach ich hier mir heut viel Ehr!
Unser Leben rauscht im Fluge,
niemand hält's fest!
Leipzig ade, schon sitz ich im Zuge
nach Budapest.
Wir haben Tempo im Leibe:
Zelt abgebrochen, husch, ab dafür!
Wenn ich was schuldig bleibe,
sei's Souvenir!
Über die Schranke im Nu!
Hoppla, hinter mir Stille.
Der Schnellzugspfiff, der schrille
deckt ihre Pflichtidylle
endgültig zu.
Morgen abend werden
mich andere Gebärden
und andere Mienen abschätzen,
wird vielleicht ein neuer
Gimpel mich ergötzen.
Stets blüht das Abenteuer,
ich lern auch immer zu,
ich geh durch alle Feuer
und setz mich nie zur Ruh.
Ich bleib bei keinem Fache,
eh ich nicht alles kann,
und fange jede Sache
einmal an.
Jetzt lern ich das Reiten,
mit Sattel und frei,
richtig auszuweiten
meine Spielerei.
Die hohe Schule komplett
mit Quer- und Mittelsitz,
hernach blick ich kokett
mich in der Runde um:
erregtes Publikum,
der Clown macht seinen Witz
und hält den Reifen,
hoppla, zerfetzt die Hüllen,
ich throne wieder fest im Sitz,
an des Direktors steifen
Zylinder spritzt der Sand,
und meine Hand
wird sehr geschickt den Liebesbrief zerknüllen,
und treu bleib ich hohnlächelnd meinem Pferde.
Oder ob ich Schlangendame werde,
wüßte gern, was man empfindet,
wenn man sich so unterm Partner windet,
man fühlt sich wohl ganz glitschig an,
eigentlich sind mir die Tiere eklig,
sie sind so unanständig beweglich,
daß man sich graulen kann.
Aber so eine Schlange
blieb ich ja auch nicht lange:
Das Leben ist kurz,
Tempo, Tempo! Hailoh, der Pfiff, der schrille,
ich bin dran, ein Lächeln auf die Miene,
den Vorhang offen!
Raus! Rauf!.. .
und vielleicht köpft all mein Hoffen
heute abend schon ein Todessturz . . .
Tusch! Nummer 6: Kompliment! La jeune Albine . . .
aihhh!
27. 10. 1921
Der fernen Kranken
Erinnerungen an Vergangnes geistern.
Ich schwebe wie Schatten durch den Dunst.
Die Müdigkeiten, die mein Heimgehn meistern,
umtänzelt eines Platzes Wasserkunst.
Da trifft mich wie ein Blitz die Schmerzgewißheit:
Du leidest einsam, fern, durch meine Schuld.
Es büßt für mein umspieltes Freuden-Diesseits
die Wunde deiner Passionsgeduld.
Die Martern, die ich über dich verhängte,
umdornen meine freche Eitelkeit.
Wenn ich mich jetzt zu Mimenehren drängte,
den Lorbeer um die Stirn bezahlt mein Leid!
Ich seh dich in den Krankenkissen liegen;
des Gartens Zweige greifen in dein Bett
wie Totenhände. Treppenflure fliegen
unheimlich ächzend um dein Kabinett.
Es geht ein Schritt. . . Du hofftest auf mein Kommen -
Es geht ein Schritt unendlich hin und her . . .
was konnte deinen Sehnsuchtsfiebern frommen
mein spielerischer Traum von Wiederkehr?
Ich tändle nur mit dämmernden Gedanken
und bleibe - und du liegst verlassen dort.
Ich lasse mich in Trunkenheiten schwanken
um ein dir zugedachtes Liebeswort.
Du hörst es nicht, du kannst es nicht empfangen,
weil ich es in den Lärm der Schenken sprach.
Es wird im Schneefeld deiner schmalen Wangen
erfrieren meiner Eitelkeiten Schmach.
10. 11. 1921
Unglücksfahrt
Die fremde Welt phantastisch nach mir spürt -
Welch' einem Golgatha fahr ich entgegen:
starrt dieser Abend nicht von Trübsalwegen
und Schluchten der Enttäuschung eingeschnürt?
Nicht mehr zu hemmen schleudert mich des Zuges
höhnisches Johlen durch das Mordgefild;
der Wälder dunkle Mähnen fliegen wild
im Hexensabbath des Gespenstertruges.
Vom Lustmord an der Sonne blieb zurück
noch eine kümmerliche Lache Blutes;
im letzten Traum des Schnees tollt guten Mutes
der Hund mit mir sich freundschaftlich ein Stück.
Er blickt so treu und kann mich doch nicht retten,
weil nur ein Wunsch mir zum Vertrost ihn schuf,
zum schattenhaften, und ein Uhuruf
des fremden Turms mich würgt mit Schreckensketten.
27. 11. 1921
Bekenntnis
Die Wankelmütigen mich nennen, ungetreuen,
sehr leicht verführbaren, schwankenden Gast,
die meinen irren Schreck nicht kennen, meiner scheuen
so leicht verlierbaren Gedanken Hast:
Sie schlagen mit den abgelaubten Ruten
nächtlicher Promenadenwege meine Flucht
und strafen mich im Bösen wie im Guten
für jeden Hunger, der mich just versucht.
Der Bissen Brotes, der mich noch erharrte,
so spät ich immer heimgekehrt von Abenteuern bin,
der Krug auf meinem Tisch, des fernen Freundes Karte:
alles hegt versteckt denselben herben Sinn.
Das Gas im Lampenlicht singt klagend, mich zu strafen,
für eine Sünde, die ich nicht beging,
und hör ich dich sanft atmend neben meinem Wachen
schlafen,
wird es ein Todesschlummer, der von mir plötzlich den Stoß
ins uferlose Nichts empfing.
29. 11. 1921
Das wilde Mädchen Kuddly
1
Ich bin vom edlen Stamm der Aprikosen,
Tochter des Häuptlings, des gefranzten Tigermauls.
Mit meinem Olla, dem Oberspree-Matrosen
jab es 'nen Mordsklamauk von wejen Pauls.
Da hab ick nachts det Elternhaus verlassen,
die wissen heut noch nicht einmal, wohin.
Hier sind wir sicher. Paul sitzt an der Kassen,
wo ich das wilde Mädchen Kuddly bin.
2
»Kuddly« das heißt zu deutsch: die braune Schnepfe.
Die rote Schwester reizt die Bleichgesichter, hugg!
Wie vielen wohl verdrehte ich die Köpfe,
zeigte ich mich in vollem Kriegesschmuck?
Mein Bruder Schorsch hat einst Karl May jelesen,
da standen ooch Indianerkallen drin,
doch keene is so orjenell jewesen
wie ich, das wilde Mädchen Kuddly, bin.
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Ich reit auf wildem Boß im Herrensattel
um den gefangnen Feind am Marterpfahl.
Mich nährt Schnaps, rohes Fleisch, Knoblauch und Dattel,
und Feuerfressen ist mein Sonntagsmahl.
Aus bunten Skalps ist meine Lendenschürze,
dafür verlor manch Männerhaupt sein Haar.
Im Siegesbauchtanz ich die Zeit verkürze
mir wildem Mädchen Kuddly wunderbar.
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Doch wer, ihr Herren, was extra mag spendieren,
der kommt zur Friedenspfeife in das Separé
da will ich ihn erst richtig amüsieren
mit den intimsten Bräuchen indianischer Hautevolee.
Mein Paul indes wird draußen wachsam äugen
und läßt uns keenen Tugendspitzel rin;
dann werdet ihr mir freudig erst bezeugen,
daß ich das wilde Mädchen Kuddly bin.
21. 12. 1921
Enttäuschung
Haß auf Gedanken, deren Schnäbel mir das Herz zerhacken,
Liebe zu Träumen, in deren Blau mein Gedicht sich gefällt,
Kampfesglück und Glück der Flucht läßt sich nicht packen:
früh bin ich immer um alles geprellt.
Früh mit Entsetzen wach ich lästernd auf für Abenteuer
krankender Tage, in deren Not sich kein Märchen getraut,
jede künftige Stunde wächst zum Ungeheuer,
dessen Fratze den tötet, der sie schaut.
Blick nun im Blick mit dem stärkeren Gegner, den
Himmel rüsten,
wart' ich apathisch, ob endlich Blitz seiner Stimme
mich fällt.
Aber es spielt nur, mit meiner Angst sich zu brüsten,
nachts bin ich wieder um alles geprellt.
Weihnachten 1921
Schattenfahrt
Ein Schatten oft den Mantel um mich schlägt,
der mich aus aller Heimat unsrer Ehe
in unwegsame Einsamkeiten trägt,
in denen ich verloren gehe.
Wenn dann dein Liebesblick mich nicht mehr fand,
und deine Rufe mich nicht mehr erreichen,
so wisse: daß ich Schwereres bestand
und immer zog in deines Sternbilds Zeichen.
Kehr' ich zurück von dieser Schattenfahrt,
kam keine Gnade deiner Welt abhanden,
die Träume haben Treue dir bewahrt,
und dir zu Liebe Höllen überstanden.
War oft ihr Weg nach Haus wie Nachtchaussee,
die eines fernen Bahndamms Lichter narrten:
vorüber blitzt Coupé ihr auf Coupé,
aus denen fremde Schattenlarven starrten -
er hat zuletzt doch stets ins Paradies
geborgner Zärtlichkeiten heimgefunden.
So bringt der Mantel, der mich scheiden ließ,
mich zauberhaft zurück in deine Stunden.
24. 12. 1921
Meine Tragödie
Angst und Anmaßung: Daseins Katarakt
zu steigen meint und sprüht in leeren Tod.
Liegt Wand an Wand mit mir unfaßbar nackt
die arme Scham um einen Happen Brot?
Der mich ernährt! - Zwang ich den ärgsten Fall,
in den von Schicksalsgipfeln Liebe stieß? -
Um wessen Herz ein eisgewordner Wall
sich ballt, klage nicht an, die ihn verließ!
Aus Regennächten noch blüht Rosenhang
um eine Schattenburg! Kein Leid ist hohl.
Ich stolpre einsam einen Strom entlang,
der Schicksal ist, und will mir selbst nicht wohl,
Mein Haß auf mich wird unwillkürlich Haß
auf jeden, den sein Blick in meinen führt.
Und meinem Zorn kommt noch das Wort zupaß,
mit dem ein Herz vorwitzig meins anrührt.
Glaubt wer, in Schenkennacht mir nah zu sein,
weil gleiche Trunkenheit uns scheinbar band, -
sein Witz weicht nicht von meiner Fratze Stein,
die ich, den eignen Tod zu leugnen, fand.
Den eignen Tod, in den unselig sprüht
Angst und Anmaßung, Daseins Katarakt! . . .
Und eines Kindes Scham, die mir zublüht,
liegt Wand an Wand mit mir wohl brünstig nackt.
Ende 1921
Lösch aus, o Seele
Lösch aus, o Seele, du verlornes Licht
in einer Welt, die störrisch Nacht sein will
und ihr in Leichtsinn Menschgebornes nicht
läßt paradiesisch blühn in sein Idyll!
Was warfst du uns an so verhaßten Strand,
wo wir verlassen in den Abend fallen?
Aus Meereshöhle wächst die Wolkenwand,
aus der der Todesdrohung Donner schallen.
Ich bin kein Held, warum versuchst du mich,
der die Verzweiflung seiner Feigheit weiß ?
Sehr billig vor der Welt verfluchst du mich,
gibst das Mißlingen eigner Schöpfung preis.
Ich fühle das wie tödlichen Verrat
an einem Werk, das uns gemeinsam war.
Wenn ich dich je um eine Gnade bat,
geschah es, weil ich allzu einsam war.
Nun bin ich einsam gern, verlornes Licht
in einer Welt, die tapfer Nacht sein will!
Und nun soll auch dein Gottgebornes nicht
genießen seiner Stumpfheit Grabidyll!
Silvester 1921
Rückblick
Der letzte Tag des Jahres läßt mich träumen,
und leichenschwer wiegt plötzlich, was verrann:
trübsinniger Stunden klägliches Versäumen
von einem Glück, das doch so kühn begann.
Unschlüssig war ich, wenn ich stark sein sollte,
dem Herzen, das sich zärtlich anbot, hart,
mir selbst zum Trotz verschloß ich mich und grollte
mich um der schönsten Stunden Gegenwart.
So war mich lieben nur: dich selbst verwunden,
ich schlug dir jede Gabe aus der Hand
und wütete im Wunder heilger Stunden
und trieb dich aus des Schlafes Heimatland.
Versuchtest du auch rührend stets aufs Neue
den Ingrimm zu entzaubern, der mich bannt:
nur Augenblicke währte meine Reue
und starrer war mein Herz nachher entbrannt.
So gehst du arm, an Hoffnungen betrogen
und um die Lust, die du gern glauben magst,
den Schatten nach, die deine Straße zogen,
bevor du bettelarm im Staube lagst.
Enttäuschter Herzen lange Schattenzüge,
von Jahr zu Jahr vermehrt, seh ich hinziehn . . .
Und Todesschuld, um die ich mich nicht lüge
läßt mich als Kain durch meine Jahre fliehn.
Unstet durch alle Jahre, die noch werden,
weil ich des Himmels Angebind zerschlug,
gehetzt von jeder Seligkeit auf Erden,
mir selbst ein Greuel und der Welt ein Spuk.
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