Gedichte 1918

Gedichte

1918

Alle Zeitangaben zu den Gedichten geben das Datum an, dem der Text zugeordnet werden konnte.
Bezug hierzu sind die Angaben aus der Sammlung der 1987 von Klaus Völker herausgegebenen Gedichte.


Inhalt

Purpurn überbauscht uns mänadisches Rasen

Im schwülen Dämmer dumpfer Wald verstecke

Dichter sind Verlorne

Terzett

Gefährtin der Gefangenschaft

Mit dir

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29. 01. 1918

Purpurn überbauscht uns mänadisches Rasen

Taube der Tugend verschluchze in meinen Armen,
sei der Trauer um Sünde nicht länger gram,
muß ich dich töten, sollst du im Tode erwarmen,
jubelnd im Taumel des Rausches erwürgt sei die Scham!

Was dich an Kindlichkeit schmückte, sollst du behalten,
deine weiße Verklärtheit entfacht den Orkan,
schüttle die Glut aus deiner Verschwiegenheit Falten,
schüre den unüberwindlichen phallischen Wahn!

Purpurn überbauscht uns mänadisches Rasen,
Wohltun und Wehetun verschmelzen im Schlag
blütentreibender Geißeln zu blinden Ekstasen . . .
Orgiastisch zerfetzt uns Priaps jüngster Tag.


23. 02. 1918

Im schwülen Dämmer dumpfer Waldverstecke

Im schwülen Dämmer dumpfer Waldverstecke
geht ruhelosen Schlummers dumpfes Rascheln um.
Mit bösem Schmatzen hockt die Mittagsschnecke,
der Unkentümpel macht sich unwirsch stumm.

Es atmet schwerer unter blassem Moose,
die Farren fingern fieberisch nach Luft,
mit geisterhaftem Lächeln stirbt die Rose
am fahlvertaumelnden Verwesungsduft.

Plötzlich schlägt fern mit zügellosem Krachen
das Donnertor sich zu, jäh blitzumloht -
und aus dem trüben Spiegel seiner Lachen
steigt schwerfällig ein fratzenhafter Tod.


Herbst 1918 ?

Dichter sind Verlorne

Dichter sind Verlorne. Auch in Leipzig.
Irgendwer, der Melodien klaut,
fängt die Süßerhoffte und beweibt sich
mit des andern Phantasienbraut.

Dichter sind Verlorne. Musikanten
stehlen ihre Texte, ihre Fraun,
werden durch vier Schnäpse zu Bacchanten,
die mit Plumpheit meinen Traum versaun.

Dichter sind Verlorne. Tönestümper
locken die ehrgeizge Zwitschergans.
Tropft die Träne von des Dichters Wimper,
macht der Klimperfritze seinen Tanz.

Dichter sind Verlorne. Notenbürger,
abgehalftert von dem Eheweib,
werden alkoholisch Mädchenwürger,
und ein Leben wird ihr Zeitvertreib,

und sie fühlen sich als Donjuane,
kapern Lüsterne mit dem Kontrakt. -
Der Poet in seinem Menschenwahne
steht vor Schweinen wieder einmal nackt!


Herbst 1918

Terzett

So wurde er der beiden Schwestern Gatte
und feierte die zwiefache Vermählung,
daß eine Lust drei Herzen überschatte,
wuchs zu Dreieinigkeit der Sinne Stählung.

Sie nahmen ihn beglückt in ihre Mitte:
die Große blieb zur Linken, ihre Finger
liebkosten seine Kraft; mit süßer Bitte
entflammte sie den zärtlichen Bezwinger.

Und seine Rechte hielt verzückt umschlungen
die andere: er küßte ihre Brüste,
und in dem Liebesparadies der Jungen
warb seiner Finger kundiges Gelüste.

Und eine Flamme stieg aus dreien Zungen
zum Stern der Venus von Cytherens Küste.


Weihnachten 1918

Gefährtin der Gefangenschaft

In die Gefangenschaft verarmter Tage
gabst du mir lächelnd das Geleit. Der Lust,
die dir beschieden war, hat ohne Klage
dem treues Herz entsagt und sich bewußt
so tief erniedrigt, daß es meiner grauen
Vergrämtheit gleiche, weil es glückentblößt
und wehrlos mir sich möchte anvertrauen,
damit das gleiche Schicksal uns verstößt.

Ja, du entäußerst dich der besten Kränze,
die deine Jugend schmückten, daß du nur
ärmer noch seist als ich, daß nichts mehr glänze
vom Schimmer deiner himmlischen Natur;
daß deine Reinheit nicht den Sinn beschäme,
der in den Höhlen seiner Unzucht büßt,
daß schon zu spät der lichte Engel käme,
der mit der Botschaft deines Gottes grüßt.

Daß mit derselben Geißel wir vertrieben
vom Paradies, das ich allein verriet,
nur dieses haben: ewiglich zu lieben
den Trostgefährten, der sich so entschied;
der jeden Weg vergaß zurück zur blauen
verklärten Sphäre der Vergangenheit,
sich ganz dem Trostgefährten zu vertrauen,
sich aufzubürden lächelnd all mein Leid.

Der als Liebkosung schmeichelt: »Ich entsage
so gern mir selbst, wenn du mich nicht vertreibst:«
In die Gefangenschaft lebloser Tage
gibst du mir lächelnd das Geleit. . . und bleibst!


31. 12. 1918

Mit dir

Nur daß ich meiner Liebe Glück schon ahnte,
verlockte mich in dieses Lebens Wahn;
was mich ein Meeresschoß zu bleiben mahnte,
verwarf ich, deiner Schönheit Untertan.

Sonst dämmerte ich in den Dunkelheiten
des ewigen Vergessens, strömte still
im Nebelozean der Nachtgezeiten,
vollkommen, wie mein Gott, ihm gleich, mich will.

Doch irdisch unvollkommen in den engen
Vergeblichkeiten dieser Welt zu stehn,
gelüstete mich mehr, weil du es teilst.

Weil mich der Flug zu himmlischen Gesängen
nur glücklich macht, wenn deiner Schwingen Wehn
ihn führt und du an meinem Herzen weilst.


 

 

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