Gedichte 1908

Gedichte

1908

Alle Zeitangaben zu den Gedichten geben das Datum an, dem der Text zugeordnet werden konnte.
Bezug hierzu sind die Angaben aus der Sammlung der 1987 von Klaus Völker herausgegebenen Gedichte.


Inhalt

 

Das Lied vom Schlüsselloch

Frühlings-Ode

Ekstase

Elly

Lucy R.

Ihr fühlt das nicht wie ich

Stromer

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1908
erschienen 03. 1920

Das Lied vom Schlüsselloch

Es schläft im Zimmer neben mir
meine nette kleine filia hospitalis;
geschieden sind wir nur durch eine dünne Tür,
ein Übelstand, der sehr fatal is.
Und wenn sie abends geht zu Bett,
dann lausch' ich auf das Rascheln und das Knistern:
das ist das Röckchen wohl. . . das das Korsett. . .
ach Gott, das macht begreiflich lüstern.
Es zieht — ich widerstrebe noch —
mich langsam doch zum Schlüsselloch.


Ja, so ein Löchelchen
verrät uns Sächelchen —
nur leider ist gar oft da noch ein Riegel vor.
Ach, könnt' mein Schlüsselchen
nur ein klein bisselchen
ganz leise, leise öffnen das ersehnte Tor.


Vorgestern schlich ich leise auch
zum Schlüsselloch: da war es wirklich helle,
sie zog sich langsam, trällernd aus nach Mädchenbrauch •
o Gott, wie bebt ich auf der Schwelle!
Sie stand an ihrem Himmelbett
und kämmte sich das Haar, das Unverschämtehen,
nun fällt wohl bald das Röckchen, das Korsett,
nun schaue ich sie bald im Hemdchen:
Auf einmal, ach, ich zitt're noch,
wird's finster hinter'm Schlüsselloch.


Ach, so ein Löchelchen verheißt oft Sächelchen -
und schiebt dann plötzlich einen festen Riegel vor.
Ach, könnt mein Schlüsselchen
nur ein klein bisselchen
ganz leise, leise öffnen das ersehnte Tor!


Doch gestern Abend, welch ein Glück,
was dürft' ich Schönes da erlauschen:
Fast prallte ich berauscht, verzückt zurück:
da sah ich sie ihr Hemd vertauschen.
Wie Eva stand die Kleine da,
in holden Farben, rosig, zierlich,
was ich da freudetrunken alles sah,
realiter figürlich!
Und dann — die Hauptsach' - sah ich noch,
nun ratet doch, nun ratet doch . ..


Ach, so ein hmtata, So'n süßes Sächelchen —
auch da ist sicher noch so'n dummer Riegel vor.
O dürft mein Schlüsselchen
bei diesem Süsselchen
doch leise, leise öffnen das ersehnte Tor!


1908

Frühlings-Ode

1
Juchhuh! Nun zieht der Frühling ein
mit Anemonen und Schalmein,
auch tropft aus meiner Nase wieder
bereits ein milder Saft hernieder.

2
Mein Kätchen, meine holde Muse,
trägt schon die dünne Sommerbluse,
durch die man bis zum Nabel schaut,
wenn man sich nicht noch weiter traut.

3
Sumpfdotterblumen glühn im Anger,
die Tante ist schon wieder schwanger,
den Onkel plagt das Zipperlein -Juchhuh!
Der Lenz zieht wieder ein!
Ju-chuh!


1908

Ekstase

Es waren meiner lieben Kleinen
die schwarzen Strümpfe heruntergerutscht
da hab ich von ihren dünnen Beinen
in selgem Entzücken den Schweiß gelutscht.

Sie brüllte wie eine Kuh vor Behagen,
sie hat sich in Krämpfen gewälzt und gezuckt,
als ich auch von ihrem triefenden Magen
die beißenden Dünste hinabgeschluckt.

Die Sonne erwachte uns viel zu zeitig,
wir hätten so gerne noch länger geschleckt -
da haben zum Schlusse wir gegenseitig
von oben bis unten uns abgeleckt!


04. 08. 1908


Elly

Wie viel, wie viel ließ ich zurück!
Wie wenig, wenig nahm ich mit,
nur meine Leiden und mein Lied.
Und du mein kleines, süßes Glück?

Blieb mir auch nur ein Hauch zurück,
der Locken Duft, der Stimme Klang,
der leise Takt in deinem Gang —
von dir mein kleines, süßes Glück?

Der Vorhang fiel, aus war das Stück,
die Lichter löschten; und ich schied. —
In meinem Leiden, meinem Lied
bleibt doch mein kleines, süßes Glück!


1908


Lucy R.

In eines dumpfen Saales Hintergrunde
steht eine kleine Bühne. Sonntags tönen
hier grobe Zoten aus geschminktem Munde,
daß oft erröten dieses Ortes Schönen.

Sie bot willkommen Raum zu flüchtgem Spiele
mir eines Abends. 
Doch es glühten Reben
auf diesem Boden plötzlich mir, und viele
Schicksale litt und lachte ich zu Leben.

Ihr aber nicktet ohne tiefres Regen,
und wart gerührt wie von »zu schönen Leichen«

nur du allein standst stumm, für dich, verlegen . . .
Da träumte mir, du wärest meinesgleichen.


27. 10. 1908


.Ihr fühlt das nicht wie ich, wenn leis der Abend
sich langsam über unser Städtchen senkt,
wie jeder an das Liebste innig denkt,
wie feierlich an schwerem Wein sich labend . . .

Euch ist die eine Stunde wie die andre,
und trägt doch jede einen eignen Duft,
der mich bisweilen deutlich wieder ruft,
wenn ich dann schon die fernsten Wege wandre . . .

An euch, gleichwie ein Karussell hintrabend,
huscht blaß vorüber, was das Leben schenkt. . .
Ihr fühlt das nicht wie ich, wenn leis der Abend
sich langsam über unser Städtchen senkt. . .


11. 1908

Stromer


1.

Kein Mensch mehr bin ich, gleiche schon dem Tiere:
ich kriech auf allen vieren, freß, sauf, hure,
und wenn ich einstens hinterm Zaun krepiere,
so schmeißt man mich in die Gemüllefuhre.

Nur schmutzge Fetzen kleben mir am Leibe,
man leidet mich nicht mal im Schweinestalle.
Die Nase fehlt dem armen Luderweibe,
mit dem ich bettelnd durch die Dörfer walle.

Auf meinem Körper eitern tausend Schwäre.
Wanzen und Läuse sind meine einzige Habe.
Wenn ich nicht immer stinkbesoffen wäre,
mancher Gendarm verfaulte schon im Grabe!


2.

Kujonier mich nicht länger, du alte Hexe,
wenn ich wild werde, hab ich Kräfte für sexe,
bist du nicht ruhig, so pack ich dich an,
daß dir kein Teufel mehr helfen kann.

Dann ist es aus, dann hilft dir kein Dokter,
hilft deinem Winseln kein Schwarzberockter,
die verfluchte Krähe, die hast du so gern!
Oh, ich kenne deine »geistlichen Herrn«

Du geile Ziege, leugne nur immer dreister!
Wurscht ist mir völlig dein Pfaffe, dein feister,
wegen mir rammle du immerzu -
aber halte dein Schandmaul und lass mich in Ruh!


 

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