Gewachsen 1922 · Geschrieben 1923
Festungsgefängnis
Niederschönenfeld
Ein Freund starb in der Nacht.
Allein.
Die Gitter hielten Totenwacht.
Bald kommt der Herbst.
Es brennt, es brennt ein tiefes Weh.
Verlassenheit.
O dumpfer Sang unendlicher Monotonie!
O ewiges Einerlei farblos zerrinnender Tage!
Immer
Wird ein Tag sein
Wie der letzte,
Wie der nächste,
Immer.
Zeit ist ein grauer Nebel. Der setzte sich in die Poren Deiner
unendlichen Sehnsucht.
Das Stückchen blauer Himmel ist gespießt von rostigen
Eisenstäben,
Die aus dem Gitterloch Deiner Zelle aufbrachen,
Auf Dich zuwanderten
Zu
Wanderten
Zu
Wanderten …
Erst wehrtest Du Dich,
Aber die Gitterstäbe waren stärker als Du.
Nun wachsen sie in Deinen Augen,
Und wohin Du blickst,
Überall
Überall siehst Du Gitterstäbe.
Noch das Kind, das im fernen, ach so fernen
lupinenblühenden Feld spielt,
Ist gezwängt in die Gitterstäbe Deiner Augen.
Oh -
Deine Nächte, Deine Traumnächte verzweifelte Harlekinaden.
Deine Nägel kratzen am Sargdeckel tauber Verlassenheit.
Nirgends blüht das Wunder.
Musik ist
Wälder sind
Frauen sind
Es blüht irgendwo die Gebärde eines sanft
sich biegenden Nackens
Es wartet irgendwo eine Hand, die sehr
zärtlich ist und voll süßester Wärme
Nirgends blüht das Wunder.
Kalt wurde das Buch in meiner Hand,
So kalt, so kalt.
Die schwarzen Lettern schwarze Berge, die zu wandern
begannen im Geäder meines Herzens.
Die raschelnden Blätter Schneefelder am Nordpol endloser
Ohnmacht.
Ich friere.
Die Welt gerinnt.
Es muss schön sein einzuschlafen jetzt,
Kristall zu werden im zeitlosen Eismeer des Schweigens.
Genosse Tod.
Genosse, Genosse …
Zirizi Zirizi Zirizi
Zizizi
Urrr
Dass man, nahe der dunklen Schwelle,
Solche Melodie vernimmt, so irdischen Jubels, so irdischer
Klage trunken …
Träume, meine Seele, träume,
Lerne träumen den Traum der Ewigkeit.
Zirizi Zirizi Zirizi
Zizizi
Urrr
Fort fort, Genosse Tod, fort fort,
Ein andermal, später, viel später.
Über mir über mir,
Auf dem Holzrahmen des halbgeöffneten Gitterfensters,
das in meine Zelle sich neigt in erstarrter Steife, so als ob es sich betrunken hätte und im Torkeln
gebannt ward von einem hypnotischen Blick,
Sitzt
Ein
Schwalbenpärchen.
Sitzt
Wiegt sich! wiegt sich!
Tanzt! tanzt! Tanzt!
Weichet zurück Ihr schwarzen Berge! schmelzet Ihr
Schneefelder!
Sonne Sonne, zerglühe sie! zerglühe sie!
Mütterliche!
Welche Landschaft wächst aus den verstaubten
melancholischen Zellenecken?
Tropische Felder, Farbenrausch sich entfaltender Orchideen!
Regina Noctis! –
Und darüber darüber
Mein Schwalbenpaar.
Das Schwalbenbuch
Schwälbchen, der Morgen, der Morgen ist da!
Auf dem gebuckelten Nestrand
Sitzt die Schwälbin.
Schaut mit ernsten, erwartenden Augen
(Wie wenig kennen die Menschen
Eure Augen, Tiere!)
Auf die heilige Stätte der Wandlung.
Ab und zu
Klopft sie mit knackendem Schnabel
An kalkumpanzerte Welten
Trächtigen Lebens.
Lauschend verweilt sie
Unsäglich zärtlicher Laut!
Eilig fliegt das Männchen herbei,
Aufgeregt, geschäftig, betriebsam
Umkreist es plaudernd das Nest.
Gleich in schelmischer Freude
Wehrt die Schwälbin
Dem forschenden Flug.
Endlich hält sie inne.
Sehr sanft wird ihr Blick,
Sehr weich und gelöst
Ihre Gebärde.
Und das Schwalbenmännchen
Erschaut
Sich,
Sich in fünf winzigen
Blinden, atmenden
Gesichten.
Lasst mich teilnehmen
An Eurer Beglückung,
Gefährten.
Pate will ich den fünfen sein,
Mitsorgender, helfender Schützer.
Ich gratuliere! Ich gratuliere!
Schwälbchen, der Morgen, der Morgen ist da!
Nachts hat Mutter Euch Märchen gezwitschert,
Jetzt sucht sie Brot zum Schnäbleinstopfen,
Schwälbchen, der Morgen, der Morgen ist da.
Schwälbchen, der Morgen, der Morgen ist da!
Sonne pocht an und will Euch begrüßen,
Öffnet die braunen Guckäuglein,
Schwälbchen, der Morgen, der Morgen ist da.
Schwälbchen, der Morgen, der Morgen ist da!
Bald seid Ihr groß, dann werdet Ihr fliegen
Fort übers Meer zu den Negerlein,
Toller und Afrika
Schwälbchen, der Morgen, der Morgen ist da.
Graue seidene Härchen
Wachsen in komischen Büscheln
Aus rosigen Leibern.
Aufgespießt auf einem dünnen
Überlangen Hals
Der Kopf …
Reißt eins das gelbe Schnäbelchen auf,
Bleckt
Ein lächerlich wütender Rachen.
Immer bleibt das Nest sauber.
Liegt darin ein weißes Würstchen
Mit schwarzem geringeltem Schwänzchen,
Wirds von den Eltern gepackt
Und hinausgetragen.
Eifrig füttern sie
Das junge Getier.
Erst wird das Futter
Im Kropf erweicht,
Mit Speichel zart bearbeitet,
Dann in die hungrigen Mäuler gestopft.
Hat der Vater
Das Junge zur Rechten gefüttert,
Füttert die Mutter
Das Junge zur Linken.
Geheimes Gesetz
Waltet.
Wie ein Kind, das am Bilde sich freut, am Spiele
Holderer Wesen,
Sah ich Dir zu.
Nun seh ich ein wissender Mensch.
Was trägst Du,
Gewürgt vom krallenden Schnabel,
Den hungrigen Jungen herbei?
Ein Tierchen gleich Dir,
Deine kleine Schwester Fliege.
Verkettet auch Du der Urschuld des Lebens!
Weh uns!
Was lebt, mordet.
Ich will Dich lieben mit tieferer Liebe,
Da ich weiß, was Schicksal Dich tun heißt.
Es ist ein Fluch der Erde,
Nirgends
Atmet das Lebendige
In göttlicher Unschuld.
Und noch das Tote
Muss töten.
Das Schwalbenbuch
Ei, Schwälbchen,
Was Du nicht kannst!
Zaghaft und mutig doch
Steigt eins
Auf die Borden des Nestes,
Hebt zierlich sein Schwänzchen …
Klacks!
Hats sein Werk vollbracht,
Putzt sich
Den kleinen Popo
Mit gesträubten Flügeln,
Und eilig, erhobenen Kopfes,
Stolz wie ein Russenzar
Kriechts in sein Nest zurück.
Sah schreiten ein Mädchen
Im Weizenfeld.
Leuchtet ihr rotes Tuch,
Rotes Tuch, rotes Tuch
Oder ihr Herz
Sang fern eine Drossel
Im Fliederbusch.
Klang wie ein Liebeslied,
Liebeslied, Liebeslied
Oder auch Spott
Ein Sommer noch
Zwei Sommer noch,
Trallalala, Trallalala
Drohte Gefahr, klagen würde die Schwälbin
Mit schrillem Pfeifen
Den Winden ihre dumpfe Angst.
Vom Fenster zum Nest, vom Nest zum Fenster
Fliegt sie gelassen.
Im Neste hocken,
Eins sich kauernd ans andere,
Die Jungen.
Über den Nestrand
Lugen die Köpfe,
Beugen sich vor, ducken zurück, wiegen sich rhythmisch
Im Takte mütterlichen Flugs.
Streichen der Schwälbin Flügel
Das wärmende Nest,
Recken sie schreiende Schnäbel,
Zärtlicher Wartung gewöhnt.
Aber gleich in ernstem Besinnen
Verstummen sie,
Und in kindlichen Augen wird wach
Ein seltsames Leuchten.
Lockende Laute zwitschert die Schwälbin,
Verweilend.
O köstliches Wunder!
Krabbelt ein Junges hervor,
Spreitet die winzigen Flügel …
Erhebt sich …
Fliegt,
Fliegt
Schwankend und dennoch voll Anmut,
Leiht seiner Angst
Die zierliche Geste edler Gesittung,
Setzt sich, klopfenden Herzens,
Neben die glückliche Mutter.
Mit Lob und leckeren Bissen
Verwöhnen die Eltern
Das mutige Junge.
Die im Neste
Erheben Geschimpf und Geschelt.
Auf den nahen Dachfirst fliegt das tapfere Junge.
Neugierig beguckts die Welt.
Beguckt zum erstenmal die Welt.
Freunde, ich sehe mit ihm zum erstenmal die Welt.
Da sitzt mein Schwälbchen. Über sich die leuchtende,
Wärmende Sonne, unter sich die blühende, atmende Erde.
Die Blumen, die Bäume, die Dachziegel,
Die fernen Wälder, die Telegraphendrähte,
Alle alle beugten grüßend
Die schweigenden Häupter.
Es rauschen die reifenden Ähren
Auch mir dem Gefangnen.
Es wölbt sich des Sommers blauender Himmel
Auch diesem gestorbenen Hof.
Ich atme
Im Mittag süßer Beglückung.
Erde! Geliebte
Vom mutigen Jungen lernen die Geschwister.
Wie es mit schöner Geduld ihnen hilft!
Und noch ein paar Tage später tummeln sich
Draußen Alte und Junge.
In heiteren Spielen lernen die Jungen des Fluges
Festliche Kunst …
Abends kehrten sie nicht mehr heim.
Das Schwalbenbuch
Lausche ich Euch, Schwalben,
Lächle ich meines werkenden Tuns.
Die Menschen Mitte des Weltalls?
Warum nicht die Schwalbe!
Erhebet doch, erhebet doch
Die Schwalbe
Auf den Thron des siebenten Tages.
Um des Menschen willen
Habt Ihr Menschen gemordet,
Um der Schwalbe willen,
Vielleicht, dass ihr den Menschen findet.
Und mehr als den Menschen.
Lausche ich Euch, Schwalben,
Lächle ich meines werkenden Tuns.
Lächle auch Du, Freund.
Und wieder richten die Schwalben das Nest.
Und wieder Tage werbender Liebe, trunkener Erfüllung.
Und wieder ward mir friedliche Beglückung.
Aber draußen kämpfen die Brüder ...
Vier Junge, blind noch, zittern im Nest.
Immer seltener kehren die Eltern heim.
Not! Not!
Keine Nahrung für die Jungen in der Erloschenheit
Nebliger Tage.
Not! Not!
Am Abend schmiegen sich nackte Leiberchen
An die mütterliche Brust, so hilflos vertrauend,
Als schmiegten sich Sterbende ans Herz
Inbrünstig geträumter Gottheit.
Die Schwälbin weinte.
Mensch, sahest Du je ein Tier weinen?
Frost kam über Nacht
In einem Leichenmantel.
Am Morgen bin ich aufgewacht.
Das Nest war leer …
Mein Herz war leer …
O liebe kleine Schwälbchen
Die Schwalbeneltern trauern um ihre Jungen.
In einer sehr wehen Nähe kauern sie auf dem Draht, der sich
über meinen Tisch spannt.
Eines schenkt dem andern die Wärme seines Blutes.
Anders trauert Ihr, meine Schwalben, als Menschen trauern.
Eure Klage: ein frierendes Erschauern vor dem Hauche der
Unendlichkeit.
Mit Euch trauert der dämmernde Abend.
Mit Euch trauern die Dinge meiner Zelle.
Erhabenes Schweigen
Das Schwalbenbuch
Menschen wie arm Eure Feste!
Jazztänze schrill von verruchter Zeit!
Eure Lebensangst
Ankurbelt die Autos der Selbstflucht,
Illuminiert
Die Seele
Mit Lampions elektrischer Gier
Und wähnt:
Sie sei geborgen.
Aber sie ist nicht geborgen
All Euer Lärm, Euer Gekreisch, Euer Gekrächz,
Euer Freudeplakatieren, Lustigsindwir:
Hahaha -
Übertönt nicht
Das leise kratzende
Nagen
Die drei heimlichen Ratten
Leere Furcht Verlassenheit
Aber schon schaue ich Dich,
Gewandelte Jugend der Revolution.
Deine Tat: Zeugung.
Deine Stille: Empfängnis.
Dein Fest: Geburt.
Opfernd
Im todnahen Kampfe heroischer Fahne,
Schreitend
Im reifenden Felde träumenden Frühlings,
Jauchzend
Im bindenden Tanze gelöster Leiber,
Ahnend
Im magischen Schweigen gestirnter Nacht.
Schon schaue ich Dich,
Gewandelte Jugend der Revolution.
Ihr meine brüderlichen, Ihr meine tapferen Schwalben!
Auf dem Hofe steh ich.
In morgendlichen Lüften segelt, spreitend die mächtigen Flügel mit Würde, ein Sperber.
Ich höre gelle Schreie spielender Schwalben.
Von allen Seiten antworten Rufe.
Scharen von Schwalben fliegen herbei.
Wer gab das Angriffssignal?
In gepfeilter Wucht stürzen sie auf den königlichen Vogel,
Der in seinen Fängen einen jungen Sperling krallt.
Ihr meine brüderlichen, Ihr meine tapferen Schwalben!
Doch welch ungleicher Kampf!
Gelassen, mit bewegterem Flügelschlag, wehrt der Angegriffene.
Kaum achtet er der winzigen Verfolger.
Armer Sperling!
Immer wieder greifen die Schwalben den Räuber an.
Bedrängen ihn mit feuriger Leidenschaft.
Schon werden seine Flügelschläge hastiger, unbeherrschter …
Die Schwachen haben den Starken besiegt!!
Zornigen Schreis, bezwungen von verbündeter Kraft, öffnet der Sperber die kerkernden Fänge.
Zitternd entflattert der betäubte Spatz.
In seligen Flügen feiern die Schwalben den Sieg der Gemeinschaft.
Wann endlich, Tiere, bündet Ihr Euch
Zum Bunde wider die Menschheit?
Ich, ein Mensch,
Rufe Euch auf!
Euch Nachtigallen, geblendet mit glühender Nadel,
Euch Hammel, gewürgt in Kasematten vergaster
Übungsschiffe,
Euch Esel, sanfteste Tiere, zusammenbrechend unter
Peitschenhieben,
Euch Strauße, zuckenden Atems gerupft und fühlenden
Herzens,
Euch Pferde, sonnenlos werkend in verpesteten Schächten,
Euch Bären, dressiert auf glühender Eisenmatte,
Euch Löwen, gezähmt im Zirkus von stählerner Knute,
Euch Alle Euch Alle
Rufe ich auf!
Erwachet!
Rächen wollen wir
Die Opfer des Menschen:
Tiere für Gaumenkitzel atmend gefoltert,
Tiere für Modelaunen lachend geschunden,
Tiere berauschten Arenen eitel geopfert,
Tiere in Kriegen sinnlos zerfetzt …
Ich will mich an Eure Spitze stellen,
Ich, ein Renegat der Menschheit,
Will Euch führen gegen den einen Feind
Mensch.
Tiere der Wüste: Brüllet Alarm!
Tiere des Dschungels: Heulet Sturm!
Keine Unterscheidung lassen wir gelten.
Weiße und Schwarze, Gelbe und Braune,
Alle alle Erdschänder! Muttermörder! Sternenräuber!
Das Schwalbenbuch
Im Nest,
Gebettet in weiße daunige Federn,
Liegen
Fünf braungesprenkelte Eier.
Fünf festliche Tempel keimenden Lebens.
Die Menschenmütter,
Ach sie sind nicht mehr
Festliche Tempel keimenden Lebens.
In meiner Mutter Hände
Kerben sich Runzeln.
Als sie mich trug,
War ihr Blut
Beschattet von täglicher Not.
Träumend
Wuchs ich
Im Dunkel des wärmenden Schoßes …
Meine Milch Schwermut.
Mein Herzschlag Trauer.
Das Lied in Moll
Wahre der Mensch
Im hymnischen Chor der Welt.
Weißt Du, wie eine Schwalbe fliegt?
Ich sah
Im Kriege Gefangene wandern
Durch klagende Täler zerschossener Dörfer.
Den Reihen der Gaffenden
Entkrümmte sich
Ein Weib.
Hände gekrampft lösten sich,
Stiegen steil in Äther schwärzlichen Himmels,
Stiegen! Stiegen!
Schwebten!
Jauchzten!
Und einer Stimme seraphischer Jubel:
André!!!
Aber es war nicht wie der Flug einer Schwalbe.
Ich sah
Im Gefängnis gefesselte Menschen
Schlafend …
Träumend …
O Antlitz sternenstrahlend!
Gefesselte Menschen
Träumend!
Du seliger Sieger Traum!!!
Aber es war nicht wie der Flug einer Schwalbe.
Der Schwalbe Flug - wie Unnennbares nennen?
Der Schwalbe Flug - wie Unbildbares bilden?
Lebte ein Gott,
Sein Zorn:
Der Schwalbe schnellendes Pfeilen,
Sein Lächeln:
Der Schwalbe innigweises Spiel,
Seine Liebe:
Der Schwalbe trunknes Sichverschenken.
Europa preist seine Äroplane,
Ich aber, ich Nummer 44,
Will mit den schweigenden Akkorden meines Herzens
Den Flug der Schwalbe preisen.
Wer preist mit mir den Flug der Schwalbe?
Alle lade ich ein!
Wer kommt?
Ein ältliches Mädchen.
Ein buckliges Kind.
Ein Narr.
O lächerliche Trinität menschlicher Güte!
Wir preisen! Amen.
Wir singen! Amen.
Wir beten an! Amen.
Wir preisen den Flug der Schwalbe,
Aber so heißt ihres Fluges Offenbarung:
Das Tier ist heiliger als der Mensch. Amen.
Die Blume heiliger als das Tier. Amen.
Erde heiliger als die Blume. Amen.
Aber am heiligsten der Stein. Sela. Sela. Sela.
Morgens putzt sich das Schwalbenmännchen
Mit feiner Grazie
Sein bläulich blitzendes Gefieder.
Immer ist die Schwälbin unzufrieden,
Schilt ihn, zankt ihn, plappert, poltert
Ein scheckiges Kauderwelsch.
Würdig beendet das Männchen
Seine Morgenfrisur,
Antwortet kaum den keifenden Lauten.
Dann – heidi!
Fliegts in die tauigen Himmel.
Aber nicht lange,
Sitzts auf dem Fensterrahmen,
Zwitschert der brütenden Gattin
Ein fröhliches Morgenkonzert.
Zirizi, Zirizi,
Zizizi,
Urrr.
Ich stehe am nächtlichen Gitterfenster.
Träumend zwitschert die Schwälbin.
Geweckt vom liebenden Ruf
Regt sich leise das Schwalbenmännchen.
Ich bin nicht allein.
Auch Mond und Sterne sind mir Gefährten
Und die schimmernden schweigenden Felder.
Das Schwalbenbuch
O Europa, wie arm Du bist!
Die Tiere Deiner Häuser sind wie Deine Menschen,
Geduckt und hässlich, verkrüppelt und verschnitten.
O ihre traurigen Augen!
Wo Du sie krönst, krönst Du Rekorde.
Wie Du Deiner Menschen Rekorde krönst -
Und nicht ihr Leben! Und nicht ihr Leben!
Wann wachsen sie ihr Leben?
Wann?
Sie übergeben es einem Götzen, der eine Uniformmütze trägt, der ordnet es, katalogisiert es, befiehlt Pflichten, schreibt Geburtsscheine, Militärscheine, Trauscheine, Sterbescheine, setzt ein Kreuz hinter ihre abgespulten Namen, trägt den vollgeschriebenen Registerband in die Registratur, So muss es sein, So dienst Du Gott, In Ewigkeit, Amen.
Brecht auf Ihr Völker des Orients und verkündet die
seligen Hymnen Eurer Gebenedeiten Muße!!!
Ein Tier aber lebt in Euren Häusern, Ihr Menschen Europas,
das ließ sich nicht zähmen und züchten,
Das ließ sich nicht fangen von Eurer süßlichen Lockung und
Eurer herrischen Drohung,
Das blieb
Frei!
Frei!
Frei!
Kommt zu mir dem zwiefach Gefangenen:
Gefangener eingekerkert von Gefangenen …
In dieser Nacht
Schlief das Schwalbenpärchen in meiner Zelle.
Baumeister gotischer Kathedrale,
Zügle den Stolz!
Quadern brauchtest Du und kunstvoll gemeißelte Steine,
Pfeiler, Pilaster, Rosetten und farbige Scheiben,
Mörtel war Dir
Das Elend der Menge, das billig sich feilbot,
Weihtest Dein Werk
Dem Jenseits,
Dem Tode.
Siehe die Schwalben:
Aus Schmutz, aus Schlamm, aus Halmen, aus Haaren der
Pferde
Bauen sie fromm ihr edel gewölbtes Nest,
Weihens
Der Erde,
Dem Leben.
Am Morgen, wenn der Wächter kommt,
Schreck ich zusammen.
Entdeckt er das Nest,
Reißt ers mit harter Gebärde zu Boden.
O im vorigen Sommer der Kriegszug auf junges Getier!
Gegen Dachrinnen, Firste marschierte man im Sturm.
Als ich zum Hof ging,
Ging ich über ein Schlachtfeld.
Hilflos kreisend die klagenden Mütter.
Paragraph X: Es widerspricht dem Strafvollzug, Vögel zu
dulden im Hause der Buße.
Menschen Menschen
Ich sah Schmetterlinge spielen
Im sonnenflirrenden Mittag.
Wo aber,
Wenn die Sonne sinkt,
Wenn Nachtstürme
Über die Erde rauschen
Mit schwarzem Gefieder,
Wo, lieblichste Kinder der göttlichen Mutter,
Schlafet Ihr dann?
Ich glaube,
Es öffnen sich Euch
Die Kelche der Blumen,
Ich glaube,
Es wiegt Euch zur Ruhe
Der Blütenklang im Dom der Kastanien.