Eine Auswahl von Erich Mühsam Gedichten
(teilweise mit Videorezitationen)
An die Dichter
Wir Dichter haben viel zu lang
mit kleinem Schicksal uns gebrüstet.
Wenn uns im Wald ein Vogel sang,
wenn Sehnsucht unser Herz umschlang,
wem's wohl nach einem Weib gelüstet, -
dann hielt die Welt den Atem ein,
zu lauschen unsern sanften Liedern,
wärmt sich an unserm Sonnenschein
und ließ die Mädchen herzlos sein,
die unsre Liebe nicht erwidern.
Genug geschwärmt! Genug geträumt!
Genug auf Weidenrohr geflötet!
Steht euer Dichtroß nicht gebäumt,
da rings das Blut in Meeren schäumt
und Brand die Horizonte rötet?
Die Menschheit schluchzt in Tod und Gram. -
Zerreißt der Lauten Saiten, Dichter,
von denen nie ein Weckruf kam!
Verhüllt in Reue und in Scham
vor Gott und Welt die Angesichter!
Doch spürt ihr je die alte Glut
von neuem, - laßt das zage Stöhnen!
Kein Jammern macht Versäumtes gut.
Ruft auf die Welt zum besten Mut,
zur Liebe ruft sie, zum Versöhnen!
Schwört aller Menschheit euern Eid,
der Menschheit, die ihr stets gemieden, -
mit ihr zu sein in Not und Leid!
Nicht Sternenwandler, - Menschen seid!
Und eure Lieder singt dem Frieden!
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Endlos gereckt, von Lampen bleich bewacht,
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An dem kleinen Himmel meiner Liebe
An dem kleinen Himmel meiner Liebe
will -- mich dünkt -- ein neuer Stern erscheinen.
Werden nun die andern Sterne weinen
an dem kleinen Himmel meiner Liebe?
Freut euch, meine Sterne, leuchtet heller!
Strahlend steht am Himmel, unverrücklich
eures jeden Glanz und macht mich glücklich.
Freut euch, meine Sterne, leuchtet heller!
Kommt ein neuer Stern in eure Mitte,
sollt ihr ihn das rechte Leuchten lehren.
Junge Glut wird euer Licht vermehren,
kommt ein neuer Stern in eure Mitte.
An dem kleinen Himmel meiner Liebe
ist ein Funkeln, Glitzern, Leuchten, Sprühen.
Denn ein neuer Stern beginnt zu glühen
an dem kleinen Himmel meiner Liebe.
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Gebt mir Schnaps
Gebt mir Schnaps, nach dem meine Seele lechzt!
Gebt mir Schnaps, nach dem meine Kehle krächzt!
Daß sich Friede an meine Schuhe binde!
Daß die verfluchte Qual endlich Ruhe finde! …
Wie es mir durch die Kehle gluckt!
Wie es mir in der Seele juckt!
Ich will kein Bier; -- ich will keinen Wein!
Schnaps will ich! Schnaps will meine Pein! -- –
Verliebter Igel, sauf! sauf! Sauf! –
Morgen wacht alle Qual wieder auf …
Gebt mir Schnaps!
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Rendezvous
Ich bin verdammt zu warten
in einem Bürgergarten
auf das geliebte Weib.
Nun sitz ich hier als Beute
gewissenloser Leute
mit breitem Unterleib.
Sie sind so froh beim Biere,
bald zwei, bald drei, bald viere -
und reden vom Geschäft.
Die Gattin spricht vom Hause,
die Töchter trinken Brause,
und Flock, das Hündchen, kläfft.
Die Kellnerinnen schwirren.
Die Tischgeschirre klirren.
Der Himmel scheint so blau.
Wie süß ist's doch, zu warten
in einem Bürgergarten
auf die geliebte Frau.
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Meine Seele ist so fremd
Meine Seele ist so fremd
Allem was als Welt sich preist,
Allem was das Leben heißt.
Meine Seele ist so rein -
Keine Scham ist ihr zu eigen -.
Nackend steht sie, ohne Hemd
Abseits euerm Lebensreigen. -
Darum nennt ihr sie gemein.
Meine Seele weiß es kaum,
Daß ihr schmähend sie verflucht;
Sie tut keiner ändern wehe; -
Ihren fernen, fremden Traum
Stört nicht einmal eure Nähe! - -
Meine Seele sucht. - Sie sucht.
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Ich wollt das Lied des Herzens
Ich wollt das Lied des Herzens nicht verschweigen.
Ich wollt es jubelnd zu den Menschen schmettern,
die bleich am Baume der Erkenntnis klettern,
das Glück vermutend in den kahlen Zweigen.
Ich wollt sie rufen zu den breiten Küsten,
an die des Meeres Wellen silbern schlagen.
Ich wollt sie lehren leichte Schultern tragen
und freien Sinn in übermüt'gen Brüsten.
Ich stoß ins Horn. Noch einmal. – Doch ich staune:
die Menschen lachen, die ich wecken wollte,
als ob ein Mißton in die Lüfte rollte. –
Es muß ein Sandkorn sein in der Posaune.
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An die Soldaten
Der friedliche Michel
Sauft, Soldaten!
Daß das Blut
heißer durch die Adern rinnt.
Saufen macht zum Sterben Mut.
Sauft! Die Zeit der Heldentaten
fordert saftige Teufelsbraten.
Sauft! Der heilige Krieg beginnt.
Sauft und betet!
Gott erhört
liebevoll der Gläubigen Ruf.
Wünscht, daß er den Feind zerstört!
Wenn ihr über Leichen tretet,
dankt dem Herrn, zu dem ihr flehtet,
daß er euch zu Mördern schuf.
Feindeskissen
bettet weich.
Wo des Feindes Witwe weint,
ist des Siegers Himmelreich.
Fremde Weiber – Leckerbissen –
Schnaps, Gebet und kein Gewissen –.
Krieg ist Krieg, und Feind ist Feind!
Tapfrer Krieger,
der vergißt,
daß ein Herz im Leibe schlägt,
daß er Mensch gewesen ist,
eh er Kämpfer war und Sieger.
Edler Held, der gleich dem Tiger
blutige Beute heimwärts trägt!
Heldenscharen,
kehrt ihr heim,
fielt ihr nicht von Feindeshand.
In der Brust den Todeskeim,
Krüppel mit gebleichten Haaren,
sucht, wo eure Stätten waren,
im zerwühlten Vaterland.
Qual und Lasten
sind der Dank.
Weib und Kind in bittrer Not.
Euer Heldentum versank.
Darben lernt ihr nun und fasten.
Bettelnd mit dem Leierkasten
winselt ihr ums Gnadenbrot.
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